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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ge-
    hen, ohne daß die ›Terror‹ in Sicht der Küste des Eriesees
    kam, da das Fahrzeug unabänderlich die Richtung nach
    Nordosten einhielt.
    — 202 —
    14. KAPITEL
    Der Niagara
    Die Zeit verging weiter ohne jede Veränderung der Sach-
    lage. Der Steuermann war an seinen Posten zurückgekehrt
    und im Schiffsinnern überwachte der Kapitän den Gang der
    Maschinen. Ich bemerke nochmals, daß diese auch nach
    Beschleunigung des Laufs ohne jedes Geräusch und mit er-
    staunlicher Regelmäßigkeit arbeiteten. Nie vernahm man
    einen der unvermeidlichen Schläge, die bei Maschinen mit
    Zylindern und Kolben vorkommen. Ich schloß daraus, daß
    die ›Terror‹ bei jeder Art der Fortbewegung in verschiede-
    ner Form durch rotierende Maschinen angetrieben werden
    müsse; es war mir aber unmöglich, darüber Gewißheit zu
    erlangen.
    Andererseits bemerkte ich, daß im eingehaltenen Kurs
    keine Änderung eintrat. Immer fuhren wir über den See
    nach Nordosten und folglich in der Richtung auf Buffalo
    weiter.
    »Warum verfolgt der Kapitän diesen Weg?« fragte ich
    mich. »Er kann doch nicht die Absicht haben, im dortigen
    Hafen, inmitten einer großen Zahl von Fischerbooten und
    Handelsschiffen, vor Anker zu gehen. Will er den Eriesee
    verlassen, so bietet ihm der Niagarastrom doch wirklich
    keinen Ausgang, denn dessen Fälle sind ja, selbst für einen
    Apparat wie den seinigen, unüberwindbar. Den einzigen
    Ausgang bietet der Detroit River, und von dem entfernt sich
    die ›Terror‹ offenbar immer weiter.«
    — 203 —
    Da kam mir der Gedanke: Vielleicht will der Kapitän
    an einer Uferstelle des Eriesees die Nacht abwarten. Dann
    würde das zum Automobil verwandelte Fahrzeug die Nach-
    barstaaten schnell durchmessen können.
    Gelang es mir nun nicht, während der Fahrt über Land
    zu entweichen, so war alle Hoffnung verloren, meine Frei-
    heit je wiederzugewinnen.
    Freilich würde ich dabei in Erfahrung bringen, wo die-
    ser »Herr der Welt« sich verbarg und so gut verbarg, daß
    man sein Versteck noch nie hatte auffinden können . . . das
    mußte ich wohl erfahren, wenigstens wenn er mich nicht
    auf die eine oder andere Weise ausschiffte. Was ich unter
    »ausschiffen« verstehe, darüber ist sich der geneigte Leser
    wohl klar.
    Die Nordostspitze des Sees war mir sehr gut bekannt,
    hatte ich doch den Teil des Staats New York, der zwischen
    dessen Hauptort Albany und der Stadt Buffalo liegt, oft ge-
    nug besucht. Eine polizeiliche, jetzt 3 Jahre zurückliegende
    Angelegenheit hatte mir Gelegenheit gegeben, die Ufer des
    Niagara stromauf- und stromabwärts von den Fällen bis
    zur großen Hängebrücke kennenzulernen, und die beiden
    großen Inseln zwischen Buffalo und dem Flecken Niagara
    Falls, ferner die Insel Navy und auch Goat Island (die Zie-
    geninsel) zu besuchen, die den amerikanischen Fall von
    dem kanadischen scheidet.
    Bot sich mir also eine Gelegenheit zur Flucht, so befand
    ich mich nicht in mir unbekanntem Land. Doch würde sich
    eine solche Gelegenheit auch bieten und – im Grunde –
    — 204 —
    wünschte ich sie denn herbei und würde ich sie dann be-
    nutzen? Wie viele Geheimnisse barg noch diese Geschichte,
    mit der mich ein glücklicher Zufall – oder war’s vielleicht
    ein unglücklicher? – so eng verknüpft hatte!
    Daß sich mir die Möglichkeit böte, eines der Ufer des Ni-
    agarastroms zu erreichen, war leider wohl kaum anzuneh-
    men. Die ›Terror‹ verirrte sich jedenfalls nicht auf diesen
    abgesperrten Strom und näherte sich wahrscheinlich auch
    nicht den Ufern des Eriesees. Im Notfall tauchte sie un-
    ter, und nachdem sie den Detroit River hinabgefahren war,
    rollte sie, zum Automobil unter der Leitung ihres Chauf-
    feurs verwandelt, über die Landstraßen der Union dahin.
    Das waren so die Gedanken, die in mir aufstiegen,
    während ich den Horizont vergeblich mit den Blicken ab-
    suchte.
    Und daneben bestand noch immer die unlösbar blei-
    bende Frage: Warum hatte der Kapitän mir jenen Drohbrief
    zugehen lassen, den der Leser kennt? . . . Welche Ursache
    hatte er, mich in Washington zu überwachen? Und endlich,
    welches Band verknüpfte ihn mit dem Great Eyrie? Zuge-
    geben, daß er durch unterirdische Kanäle in den Kirdallsee
    gelangen konnte . . . doch durch jene unübersteigbare Fel-
    sumwallung . . . nein, das nicht!
    Am Nachmittag gegen 4 Uhr konnten wir, unter Berück-
    sichtigung der Schnelligkeit der ›Terror‹ und der unverän-
    dert eingehaltenen Fahrtrichtung, kaum

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