Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
an die Fälle.
    Seine Länge vom Erie- bis zum Ontariosee beträgt 15 Lieues
    — 215 —
    (58,5 Kilometer) und ziemlich genau nach Norden verlau-
    fend, führt er dem Ontariosee den Abfluß aus dem Obe-
    ren-, dem Michigan- und dem Huronsee zu. Zwischen dem
    Erie- und dem Ontariosee beträgt der Unterschied der Hö-
    henlage 340 Fuß (110 Meter). Auf den großen Wasserfall
    kommen davon nicht weniger als 150 Fuß (48,75 Meter).
    »Horse Shoe Fall« genannt, weil er annähernd die Form
    eines Hufeisens hat, haben ihm die Indianer den Namen
    »Donnerer der Wasser« gegeben, und in der Tat erzeugt der
    Wassersturz ein ununterbrochenes Donnerrollen, das man
    noch mehrere Meilen davon hört.
    Zwischen Buffalo und dem Flecken Niagara teilen zwei
    Inseln den Lauf des Stroms: die Insel Navy, etwa 4 Kilome-
    ter stromaufwärts vom Horse Shoe Fall, und Goat Island
    (die Ziegeninsel), die den amerikanischen Fall von dem ka-
    nadischen scheidet. Deren Spitze trug früher den Terrapine
    Tower (Schildkrötenturm), der so kühn mitten im Wasser-
    schwall und dicht am Rand des Abgrunds aufragte. Man hat
    ihn aber umlegen müssen, da er bei dem stetigen Zurück-
    weichen des Falls in Gefahr war, in die brodelnde Tiefe ge-
    rissen zu werden.
    Längs des Oberlaufs des Niagara sind zwei Ortschaften
    zu erwähnen: Schlosser am rechten und Chippewa am lin-
    ken Ufer, beide ziemlich genau gegenüber der Insel Navy
    gelegen. Von hier aus hat das Flußbett sehr starken Fall und
    die Strömung wird deshalb immer schneller, bis die Wasser-
    massen 2 Meilen stromabwärts die berühmten Fälle bilden.
    Die ›Terror‹ war am Fort Erie vorübergekommen. Noch
    — 216 —
    schwebte der Sonnenball im Westen in geringer Höhe über
    dem kanadischen Horizont, und der fast volle Mond stieg
    schon aus den Dunstmassen im Südosten herauf. Vor einer
    Stunde konnte es noch nicht Nacht sein.
    Die Torpedojäger folgten uns, ihre Feuer verstärkend, in
    der Entfernung von 1 Meile, ohne diesen Abstand verrin-
    gern zu können. Immer glitten sie zwischen von Bäumen
    beschatteten und mit Landhäusern besetzten Ufern hin, die
    sich als lange, grünende Strecken hinziehen.
    Offenbar gab es für die ›Terror‹ hier keinen Rückweg
    mehr. Die Torpedojäger hätten sie unfehlbar in den Grund
    gebohrt. Ihren Befehlshabern war freilich nicht bekannt,
    was ich wußte, daß eine Havarie, die der Apparat erlitten
    hatte, ihn zwang, auf der Oberfläche des Sees zu bleiben,
    und daß es ihm unmöglich war, durch ein wiederholtes Un-
    tertauchen zu entweichen. Nichtsdestoweniger setzten sie
    ihre Fahrt nach vorwärts fort, und voraussichtlich behielten
    sie auch ihre Schnelligkeit bei, bis sie auf unüberwindliche
    Hindernisse trafen.
    Fand ich aber keine Erklärung für diese hartnäckige
    Verfolgung, so fehlte es mir erst recht an einer solchen für
    das Verhalten der ›Terror‹. Vor Ablauf einer halben Stunde
    mußte ihr durch den Wasserfall der Weg versperrt sein. So
    überaus leistungsfähig der Apparat auch sein mochte, über
    den Horse Shoe Fall konnte er doch unmöglich unbeschä-
    digt hinwegkommen, und wenn der ungeheure Wasser-
    schwall ihn mit hinunterzog, mußte er in der 124 Fuß tiefen
    Grube verschwinden, die das Wasser am Fuß der Fälle aus-
    — 217 —
    gehöhlt hat. Nur wenn er irgendwo ans Ufer anlief, konnte
    er auf seinen Automobilrädern vielleicht entkommen, wenn
    er 240 Kilometer in der Stunde hinter sich brachte.
    Was sollte ich jetzt beginnen? . . . Sollte ich versuchen,
    mich hier in der Nähe der Insel Navy zu retten, deren Ufer
    ich schwimmend jedenfalls leicht erreichen konnte? Ließ
    ich diese Gelegenheit vorübergehen, so würde mir, soweit
    hatte ich die hier obwaltenden Geheimnisse durchschaut,
    der »Herr der Welt« die Freiheit niemals wiedergeben.
    Ich sah aber doch bald ein, daß meine Flucht auf jeden
    Fall verhindert werden würde. War ich auch nicht in meine
    Kabine eingesperrt, so sah ich mich doch scharf überwacht.
    Während der Kapitän am Steuer blieb, wandte der Mann an
    meiner Seite kein Auge von mir ab. Bei der ersten Bewe-
    gung wäre ich gepackt und in meine Kabine eingeschlossen
    worden . . . ja, jetzt war mein Schicksal an das der ›Terror‹
    gebunden.
    Die Entfernung, die die Torpedojäger von uns trennte,
    hatte sich inzwischen auf einige Kabellängen verringert.
    Konnte der Motor der ›Terror‹ infolge einer Beschädigung
    das Fahrzeug vielleicht nicht mehr schneller fahren? . . . Im-
    merhin verriet der

Weitere Kostenlose Bücher