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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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regelmäßi-
    gen Ovals, dessen größerer Durchmesser von Norden nach
    Süden verlief. Über seine Felswände, seine Höhe und über
    die Natur und Anordnung seines Kamms kann ich nichts
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    Näheres angeben. Über uns wälzten sich dichte Dunstmas-
    sen hin, die die Sonne noch nicht aufzulösen vermocht
    hatte. Einzelne besonders dichte Dunstfetzen hingen bis zu
    dem sandigen Grund herunter. Jedenfalls waren wir noch
    in den ersten Morgenstunden und der Nebel würde wohl
    bald verschwinden.
    Mir kam es vor, als herrschte im Innern des Kessels eine
    recht niedrige Temperatur, obgleich heute der erste Tag
    des August war. Ich schloß daraus, daß der Kessel in einem
    hochaufragenden Landesteil der Neuen Welt liegen müsse.
    Doch in welchem? . . . Es war ganz unmöglich, hiervon auch
    nur eine Mutmaßung zu haben. So schnell der Flug des
    Luftschiffs auch sein mochte, keinesfalls hätte es Zeit genug
    gehabt, über den Atlantik oder den Pazifik hinwegzuflie-
    gen, denn seit unserer Abfahrt vom Niagarafall waren doch
    höchstens 12 Stunden verflossen.
    Eben trat der Kapitän aus einer Vertiefung in der Ge-
    steinswand, wahrscheinlich aus einer in den Fels an des-
    sen Fuß eindringenden Grotte, deren Umgebung noch von
    Dunstwolken erfüllt war.
    Hoch oben sah man durch die Nebeldecke zuweilen die
    Umrisse großer Vögel, deren heiserer Schrei die hier unten
    herrschende Stille unterbrach. Wer weiß, ob sie nicht auf-
    gescheucht waren durch das Erscheinen dieses Ungeheuers
    mit riesengroßen Flügeln, mit dem sie sich weder an Kraft
    noch an Schnelligkeit messen konnten.
    Alles legte mir also die Annahme nah, daß es hier wäre,
    wohin der »Herr der Welt« sich zurückzog, wenn eine sei-
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    ner wunderbaren Reisen zu Ende ging. Hier war die Garage
    für sein Automobil, der Hafen für sein Schiff, das Nest für
    seine Flugmaschine. Und jetzt lag die ›Terror‹ ohne Bewe-
    gung auf dem Grund dieses Talkessels.
    Endlich konnte ich mir diese also näher ansehen, und es
    hatte den Anschein, als gedächte niemand, mich daran zu
    hindern. Tatsächlich schien der Kapitän sich wegen meiner
    Anwesenheit jetzt ebensowenig zu beunruhigen, wie die
    ganze Zeit vorher. Seine beiden Begleiter gingen auf ihn zu.
    Alle drei betraten gleich darauf die schon erwähnte Grotte.
    Ich konnte also den Apparat betrachten . . . wenigstens von
    außen. Was seine innere Einrichtung betraf, würde ich
    wahrscheinlich nur auf Mutmaßungen beschränkt bleiben.
    Außer der Luke meiner Kabine waren die übrigen Lu-
    ken nämlich geschlossen, und ich versuchte vergeblich, sie
    zu öffnen. Alles in allem war es ja vielleicht interessanter,
    sich darüber klarzuwerden, welchen Motor die ›Terror‹ bei
    ihren vielfachen Verwandlungen benützte. Ich sprang zur
    Erde und hatte hier alle Muße, die erste umfassende Besich-
    tigung vorzunehmen.
    Der Apparat hatte eine spindelartige Form, am Vorder-
    teil spitzer als am Hinterteil, der Rumpf bestand aus Alu-
    minium, die Flügel waren aus einem Material hergestellt,
    dessen Natur ich nicht zu bestimmen vermochte. Er ruhte
    auf vier Rädern von 2 Fuß Durchmesser, deren Felgen mit
    sehr dicken Reifen versehen waren, die den sanften Lauf bei
    jeder Schnelligkeit gewährleisteten. Ihre Speichen verbrei-
    terten sich zu länglichen Platten, und wenn die ›Terror‹ sich

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    auf oder unter dem Wasser befand, mußten diese ihre Fort-
    bewegung beschleunigen helfen.
    Die Räder bildeten aber nicht den hauptsächlichsten
    Motor. Dieser bestand vielmehr aus zwei Parsonschen Tur-
    binen, die longitudinal zu beiden Seiten des Kiels angeord-
    net waren. Durch die Antriebsmaschine ungeheuer schnell
    gedreht, bewirkten sie die Fortbewegung dadurch, daß sie
    sich in das Wasser sozusagen einbohrten, und ich fragte
    mich, ob sie nicht auch zur Fortbewegung in der Luft die-
    nen möchten.
    Wenn der Apparat in der Luft schwebte und weiterflog,
    dann bewirkten das jedenfalls seine großen, weit entfalte-
    ten Flügel, die in der Ruhelage wie Schiffsschwerte an sei-
    nen Seiten herunterhingen. Der Erfinder hatte hier also die
    Bauart »schwerer als Luft« angewendet, eine Bauart, die es
    ihm ermöglichte, sich durch die Luft mit einer Geschwin-
    digkeit zu bewegen, die vielleicht die der mächtigsten Vögel
    übertraf.
    Was die Kraftquelle anging, die diese verschiedenen Me-
    chanismen in Tätigkeit setzte, so konnte das, ich wiederhole
    es, nur die Elektrizität sein. Aus welcher

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