Herr der Welt
übrigblieben.
Was sie beschlossen hatten, führten sie auch aus. Die
Zündschnur der Patrone wurde, als es dunkel genug war,
in Brand gesetzt, und alle drei glitten, ohne dabei gesehen
worden zu sein, zur Erde hinunter. Da, im letzten Augen-
blick, wurde ihr Entweichen noch bemerkt. Mehrere Flin-
tenschüsse knatterten von der Plattform herab, doch ohne
daß einer von ihnen getroffen wurde. Schnell stürzte sich
Uncle Prudent auf das Ankertau und durchschnitt es mit
fester Hand. Der ›Albatros‹, dem ja seine Treibschrauben
fehlten, wurde vom Wind fortgetragen, und bald darauf
durch die Explosion zertrümmert, versank er in den Wogen
des Pazifiks.
Der Leser erinnert sich wohl, daß es in der Nacht vom
12. zum 13. Juni gewesen war, wo Uncle Prudent, Phil Evans
und Frycollin auf dem Heimweg vom Weldon-Institut spur-
los verschwanden. Seit dieser Zeit fehlte jede Nachricht von
ihnen und es konnte sich auch niemand den seltsamen Vor-
fall erklären. Bestand denn eine Beziehung zwischen die-
sem unerklärlichen Verschwinden und dem Zwischenfall
mit jenem Robur bei der denkwürdigen Sitzung? . . . Die-
— 248 —
ser Gedanke kam niemandem und konnte füglich auch nie-
mandem kommen.
Die Kollegen der beiden Vorstandsmitglieder beunru-
higten sich aber doch sehr darüber, sie nicht wiederzusehen.
Man veranlaßte Nachforschungen, die Polizei nahm sich
der Sache an, Telegramme flogen nach allen Himmelsge-
genden, durch die Neue wie durch die Alte Welt. Vergeblich
. . . alles vergeblich. Selbst eine Belohnung von 5000 Dollar
für jedermann, der eine Nachricht über die Verschwunde-
nen bringen könnte, blieb unberührt in der Kasse des Wel-
don-Instituts liegen.
Das war die Sachlage. Die allgemeine Aufregung wuchs,
vor allem in den Vereinigten Staaten, immer mehr . . . ich
entsinne mich dessen ganz genau.
Am 20. September verbreitete sich eine Nachricht,
die zuerst nach Philadelphia gekommen war, mit Blitzes-
schnelle überall hin:
Uncle Prudent und Phil Evans waren am Nachmittag in
die Präsidentenwohnung des Weldon-Instituts zurückge-
kehrt.
In einer noch am selben Abend zusammengerufenen
Versammlung empfingen die Mitglieder ihre beiden Kolle-
gen mit heller Begeisterung. Auf alle an die beiden gerich-
teten Fragen antworteten diese mit größter Zurückhaltung,
oder richtiger: sie antworteten eigentlich darauf gar nicht.
Erst später erfuhr man folgendes:
Nach ihrer Flucht und nach dem Verschwinden des ›Al-
batros‹ beschäftigten sich Uncle Prudent und Phil Evans zu-
— 249 —
nächst mit der Frage bezüglich ihres Lebensunterhalts und
warteten auf eine Gelegenheit, die Insel Chatam zu verlas-
sen, sobald sich eine solche bieten würde. An der Westküste
trafen sie auf einen Stamm von Eingeborenen, die ihnen
wenigstens nicht unfreundlich entgegenkamen. Diese Insel
wird aber wenig besucht, Seeschiffe legen nur selten daran
an. Hier hieß es also: sich mit Geduld wappnen, und es ver-
gingen volle 5 Wochen, ehe die »Schiffbrüchigen der Luft«
sich nach Amerika einschiffen konnten.
Doch als sie zurückgekehrt waren, weiß jemand, was die
erste Beschäftigung Uncle Prudents und Phil Evans’ war? . . .
Ganz einfach: sie nahmen ihre unterbrochene Arbeit wie-
der auf, den Bau des Ballons ›Go ahead‹ zu vollenden, um
noch einmal emporzusteigen in die hohen Schichten der
Atmosphäre, die sie kurz zuvor – und unter welchen Ver-
hältnissen! an Bord eines Luftschiffs – durchstreift hatten.
Hätten sie das nicht getan, sie wären ja keine waschechten
Amerikaner gewesen!
Am 20. April des nächsten Jahres war der Aerostat fertig,
unter Führung Harry W. Tinders’, eines berühmten Luft-
schiffers, aufzusteigen, und diesen sollten der Vorsitzende
und der Schriftführer des Weldon-Instituts begleiten.
Ich muß hier einfügen, daß seit deren Rückkehr kein
Mensch von Robur gehört hatte, so als ob dieser gar nicht
existiert hätte. Lag denn auch nicht hinreichend Grund vor,
zu glauben, daß seine abenteuerliche Laufbahn mit der Ex-
plosion des darauf vom Pazifik verschlungenen ›Albatros‹
beendet gewesen wäre?
— 250 —
Der zum Aufstieg bestimmte Tag kam heran. Ich befand
mich mit vielen tausend Zuschauern im Fairmount Park.
Der ›Go ahead‹ war bestimmt, sich infolge seiner ungeheu-
ren Größe bis zu den größten Höhen zu erheben. Nament-
lich war der Streit zwischen den »Vordersteurern« und den
»Hintersteurern« jetzt
Weitere Kostenlose Bücher