Herr der zwei Welten
sie wählen, ist dann auch der bessere. Wir lassen ihnen dann ihren Willen und haben es noch nie bereut.“
Julie warf Sel einen interessierten Blick zu. Der Mann gefiel ihr irgendwie. Jedenfalls hatte er es geschafft, Dervit zu beruhigen. Dadurch durfte Julie sich nun ganz auf den bevorstehenden Ritt freuen. Sie wäre sich schäbig vorgekommen, wenn sie mit strahlendem Gesicht auf einem dieser herrlichen Tiere sitzen würde, während Dervit vor Angst schlotterte! Obwohl sie im Moment nichts anderes im Kopf hatte, als diese schönen Tiere, merkte sie, wie sie Sel beobachtete. Er war ein stattlicher Mann. Seine Augen waren wie bei Karmai blau. Aber sein Haar war nicht blond, sondern haselnussbraun. Dieses Braun machte den Eindruck, als wenn ständig die Sonne auf sein Haar scheinen würde. Selbst dann noch, wenn keine Sonne am Himmel stand oder von Wolken verhangen war. So wie jetzt, dachte Julie. In diesem Moment sah Sel herüber. Die beiden Grübchen, die sich fast augenblicklich in seinen Mundwinkeln bildeten, gaben ihm ein jungenhaftes Aussehen. Sein Alter war aber schwer zu schätzen. Gekleidet war er ähnlich wie Karmai und die beiden anderen. Er trug einen langen Überrock über schwarzen, engen Hosen. Der Überrock, den er über einem weißen, Spitzen besetzten Hemd trug, war gelb und besaß braun abgenähte Seitentaschen und einen braunen Stehkragen. Julie sah jetzt direkt in seine Augen. Sie spürte, wie sie rot wurde, aber diese Augen besaßen einen wirklich anziehenden Glanz. Sie konnte nicht wegschauen. Sie war dankbar, als Balos mit den Tieren zu ihnen herüberkam und ihr die weichen Zügel von einem der Tiere in die Hand drückte. Julie sah sich zu Simonja um. Zu ihrer Beruhigung zeigte diese keine Angst, sondern ihr Gesicht spiegelte Neugier wieder. Behänd schwang sie sich auf das Tier. Julie genoss diesen Ritt in vollen Zügen. Das Tier hatte einen weichen elastischen Gang, dass man den Eindruck hatte, man befände sich in einer Wiege. Zum ersten Mal, seit so unendlich langer Zeit, spürte Julie, dass sie lebte! Das Leben machte Spaß! Sie war überglücklich!
Karmais Volk war zu anfangs sehr ruhig. Doch das Merkwürdigste war, dass Karmai sie gleich nachdem Dervit TsiTsi überschwänglich in seine Arme geschlossen hatte, Karon war gar nicht mehr zu halten gewesen, aufforderte, das Dorf noch einmal zu verlassen. Balos begleitete sie. Julie begriff: es war wegen des zweiten Mal sehen. Dann jedoch, als sie etwa eine Stunde später zurückkamen, wurden sie überschwänglich begrüßt. Schon bald merkten sie, dass die Gelbländer ein überaus gastfreundliches Wesen besaßen. Es wurde ein richtiges Fest gefeiert und sie waren die Hauptattraktion! Es gab jetzt so vieles zu erzählen. Gespannt hörten sie die Geschichten, die ihnen die Gelbländer erzählten. Aber dann dauerte es nicht lange und Julie, Bernhard und Kai wurden aufgefordert, etwas über ihre Heimat zu erzählen. Gespannte, erwartungsvolle Gesichter blickten ihnen entgegen. Als Bernhard zu erzählen begann, hätte man eine Nadel fallen hören, so vollkommen war das Schweigen. Bernhard erzählte einige Dinge aus ihrer Heimat, um dann zu erzählen, wie sie in die Bunte Welt gekommen waren. Er nutzte die Gelegenheit, die Gelbländer zu fragen, ob sie eine Erklärung für all das wüssten. Aber diese waren genauso überfragt, wie es die Blauen waren. Niemand konnte sich einen Reim darauf machen. Aber anders als damals, als sie Dervit danach gefragt hatten, fühlte Julie sich nicht mehr enttäuscht über diese Antwort. Sie hätte doch sowieso nicht geglaubt, hier auf eine Antwort zu stoßen!
Nun begann aber auch Dervit eine Geschichte zu erzählen. Einige der älteren Dorfbewohner waren, aus den verschiedensten Gründen, schon einmal im Blauen Land gewesen. Nun war die Freude groß und sie warfen eifrig ihre Erfahrungen mit ein.
So verging die Zeit wie im Fluge. Schon bald wurde das Essen aufgetischt. Es schmeckte vorzüglich und bestand aus einer unbekannten Fleischart und einem kohlartigen Gemüse. Julie leckte sich die Finger danach und langte kräftig zu. Erstaunt hörte sie Karsina zu, die erklärte, dass das Fleisch von einer Tierart, die die Gelbländer Devlock nannten, stammte. Die Devlocks waren kleine Tiere, die in den Wäldern rings um das Dorf lebten.
„Die Devlocks opfern hin und wieder freiwillig einige ihrer Gefährten. Dadurch ist das Überleben der anderen gesichert, denn zum Dank dafür, dass die Devlocks uns als Speise
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