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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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doch versetzte sie Julie einen Schock.
    Kein Grund zur Panik, mahnte sie sich und doch hatte sie Dabal schon ihre Hand ruckartig entzogen.
    „Er ist der beste Mensch, den ich kenne! Ich liebe ihn und er liebt mich!“ ihre Stimme drohte sich zu überschlagen. Julie atmete durch. Sie war eine Närrin! Warum nur hatte sie sich nicht besser unter Kontrolle. Ihre Reaktion musste ja Misstrauen erwecken! Dabal spürte natürlich sofort, dass ihre Antwort mehr verhüllte als erklärte. Doch er schwieg. Vermutlich hatte der Emasca frühzeitig gelernt, dass es Dinge gab, denen man nicht auf den Grund gehen sollte. Er nickte beruhigend und griff wieder nach Julies Hand.
    „Du musst dich nicht aufregen. Eure Liebe ist sehr stark. Du solltest stolz darauf sein. Das allein ist es, was zählt!“
    „Es tut mir leid.“ stotterte Julie verwirrt. „Ich wollte nicht …“ sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Tapfer unterdrückte sie das Bedürfnis, einfach loszuheulen. Sie hatte Dabal nicht so abweisend behandeln wollen. Hatte sie ihn doch als ehrenhaft empfunden. Er war sicher nicht derjenige, der andere verurteilte! Sie beruhigte sich. Sie wusste, dass der Emasca mehr ahnte, als er zugab. Aber er würde schweigen! Julie war sich sicher, dass er nicht weiter in sie dringen würde, und sie glaubte daran, dass er sogar dann noch schweigen würde, wenn sie ihm die Wahrheit sagte. Es wunderte sie zwar, aber Dabal hatte ihr Vertrauen in so kurzer Zeit erlangt! Und? Was soll´s fragte sie sich. Eugeñio war nicht hier. Würde es niemals sein. Dennoch war sie froh, als Dabal sich verabschiedete und auch ihre Freunde gleich mit sich nahm. Julie war dankbar, dass sie nun einen Moment hatte, in dem sie allein war und über das nachdenken konnte, was sie erfahren hatte.
    Einige Tage blieben sie noch zu Gast bei den Gelbländern. Julie hatte keinen Schwächeanfall mehr. Es ging ihr gut. Bald schienen alle vergessen zu haben, dass überhaupt etwas geschehen war. Nicht einmal Simonja sprach sie noch auf ihren Traum an. Obwohl sie doch Dabals Frage gehört haben mussten, und auch ihre Reaktion darauf, kam niemand mehr auf das Thema zusprechen. Die Einzige, die diesen Tag nicht vergessen hatte, schien Julie selbst zu sein. Sie bedauerte es, sich so wohl zu fühlen! Sie sehnte dieses Gefühl von Schwäche, das sie nach ihrem Traum durchlebt hatte, sogar herbei. Schließlich war diese Geistreise, ob sie nun tatsächlich war oder nicht, die einzige Möglichkeit, sich Eugeñio nah zu fühlen! Dennoch träumte sie jetzt wieder in jeder Nacht von ihm. Diese Geistreise hatte ihre Liebe wieder neu entfacht! Es schmerzte wieder, auch nur an ihn zu denken und das tat sie in beinahe jedem Augenblick. Sie fühlte sich einsam und dieses Gefühl war mehr als sie ertragen konnte! Doch so sehr sie es sich auch wünschte, es war nie mehr so, wie es in jener Nacht gewesen war, als sich ihre Seelen fern ab von der realen Welt, getroffen hatten. Obwohl sie sich noch immer nicht erklären konnte, was da wirklich geschehen war, hatte sie doch gelernt das zu akzeptieren, was ihr Verstand nicht zu erfassen vermochte.
    Am letzten Abend vor ihrer Abreise gaben ihre Gastgeber ein großes Fest. Es fand allein ihnen zu Ehren statt und unterschied sich tatsächlich von dem, dass sie an ihrem ersten Tag gefeiert hatten. Sie waren wieder die Hauptfiguren, um die sich alles drehte. Allerdings wurden diesmal keine Geschichten ausgetauscht, sondern diesmal wurde ihr Abschied gefeiert. Das und die Musik, die gespielt wurde, waren dazu angetan, ihnen das Herz schwer zu machen. Die Gelbländer verstanden sich bestens darauf, auf ihren Instrumenten die herrlichsten Töne zu zaubern. Noch nie hatte Julie solch reine Musik gehört. Jeder Ton war so rein, so klar, wie ihn sonst kein Instrument hervorbringen konnte. Obwohl es sie traurig machte, dass dieses Fest ihr Abschied war, waren sie alle begeistert davon. Auch hier gab es ein Getränk, das dem Alkohol gleich, einen berauschten Zustand erzeugte, doch hier blieben alle gleichermaßen lustig. Kein Streit, kein böses Wort machte das Fest zunichte. Ganz im Gegenteil zu den Festen, die Julie von der Erde kannte. Hier durchtränkte gegenseitige Achtung und Sympathie die Atmosphäre.
    Sie alle waren den Tränen nahe, als sie sich am nächsten Morgen von ihren neuen Freunden verabschiedeten. Karmai und Sel ließen es sich nicht nehmen, sie noch bis zur Nebelgrenze zu begleiten. Zu Julies Bedauern kam Balos nicht mit.

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