Herr der zwei Welten
einzige Wille dieser Göttin schien zu sein, dass ihre Menschen glücklich sein sollten! – Selbstverständlich gehörte zu diesem Glück aber, dass sie sich vermehrten. So wie die Blauen ihre Göttin beschrieben, schien das Wort Züchten immer weniger zu passen, dachte Julie. Sie schüttelte unwillkürlich den Kopf und wunderte sich, wie sympathisch diese Göttin auf einmal für sie war. Aber Pieter meinte entschieden:
„Das kann sie vergessen. Wir werden hier wirklich nicht züchten, oder wie immer ihr das nennt. Was ist das denn für eine Göttin, die einfach Leute aus ihrer Welt klaut, nur um …“
Julie sah, wie Pieter schwer schluckte. Dervit und TsiTsi, selbst die beiden Kinder, starrten ihn entgeistert an.
Mächtig erregt erklärte Dervit:
„Aber natürlich! Ich verstehe euch nicht! Will euer Gott nicht, dass ihr euch vermehrt? Es ist doch nur natürlich, dass aus Liebe auch Zucht wird! Jeder muss Kinder haben! Das ist so!“
Dervits große, runde Augen sagten ganz deutlich: Er hielt die Fremden jetzt nicht nur für merkwürdig. Er zweifelte an ihrem Verstand! Erst als sein Blick auf Steff traf, beruhigte er sich wieder.
Kai hatte einen Finger in den Mund geschoben und knabberte am Nagel. Das tat er noch immer, wenn er über irgendetwas fieberhaft nachdenken musste. Der junge Mann blickte sich in der Runde um. Als sein Blick auf Bernhard traf, merkte er, dass er die ganze Zeit über beobachtet worden war. Bernhard sah ihn fragend an. Es erfüllte Kai mit Stolz, dass Bernhard ganz offensichtlich Vertrauen zu ihm hatte. Eventuell dachte der ältere Mann, dass er, Kai, der Einzige war, der diese Situation richtig einschätzen konnte, und dass er es war, der die richtigen Fragen stellen würde.
Doch nun musste Kai wirklich weiter grübeln, auch wenn es ihm wahnsinnig schmeichelte und er sich in dem Gedanken, dass ein Erwachsener in ihm einen Ebenbürtigen sehen konnte, noch gerne länger gesonnt hätte. Nach einer Weile kam ihm wirklich ein Gedanke.
„Sag mal Dervit, hat Morsena selber Kinder?“
Aber damit hatte er wohl auch ins Fettnäpfchen getreten. Der blaue Zwerg pustete vor lauter Entrüstung.
„Nein! Was denkt ihr denn! Morsena hat doch keinen Liebhaber! Wie sollte sie denn züchten! Sie ist eine Göttin!“
Kai sah, wie sein Vater ungehalten dazwischen gehen wollte. Natürlich! Der dachte sich doch nur wieder, dass sein blöder Bengel doch den Mund halten sollte! Eigentlich hätte ihn das wütend machen müssen. Er war erwachsen! Na, ja, fast! Aber diesmal hatte er seinen jugendlichen Starrkopf unter Kontrolle. Er hob nur leise die Hand in Richtung seines Vaters und bat so um etwas Geduld. Er hatte sich bereits eine These zurechtgelegt und er würde den Teufel tun, jetzt nicht der Sache auf den Grund zu gehen!
Dervit hatte, obwohl er richtig wütend gewesen war, trotzdem seine Stimme immer mehr gesenkt. Es war Kai vorgekommen, als hätte der Zwerg Angst gehabt, dass er gehört werden konnte, während er etwas vollkommen Unerlaubtes berichtete.- Kai beugte sich zu Bernhard und erklärte leise, was er dachte:
„Diese Morsena ist kein Gott. Jedenfalls nicht in dem Sinne, wie wir ihn verstehen. – Sonst hätten die Blauen sich doch selbst als ihre Kinder gesehen. Christen und Moslems tun das doch auch.“
Bernhards Augen hingen wirklich voller Anerkennung an seine Lippen. Kai fühlte sich auf der sicheren Seite.
„Außerdem braucht eine Göttin doch auch keinen Partner. Unser Gott brauchte doch auch keine Frau. Jedenfalls musste er mit keiner schlafen, nur damit die ihm einen Sohn gebären konnte. Der Heilige Geist und so weiter. Du verstehst? Ich denke, diese Morsena sucht einen Mann für sich. – Vielleicht denkt sie, dass wir …Unmöglich! Ist vielleicht doch etwas zu weit hergeholt!“
Doch Bernhard hatte sich wohl entschlossen, Kai zu unterstützen. Jedenfalls fragte er jetzt:
„Wie sieht diese Morsena eigentlich aus? Wisst ihr das?“
Dervit schüttelte den Kopf.
„Nein, woher sollte man das denn wissen?! Niemand hat sie jemals gesehen. Ich weiß nur, dass sie sehr groß ist. Und wenn sie mit einem von uns spricht, umhüllt sie immer ein ganz helles Licht.“ Dervit kratzte sich am Kopf. Genauso wie jemand, der plötzlich über eine ganz andere Idee angestrengt nachdenken musste.
„Vielleicht besteht sie aber auch nur aus Licht. Ich weiß es wirklich nicht. – Aber sie muss wirklich wunderschön sein!“ schwärmte er hingebungsvoll. Sein Gesicht nahm einen geradezu
Weitere Kostenlose Bücher