Herr des Chaos
Schatten spendete. Und weil er ihn immer daran erinnerte, daß er sich von jeder Gelegenheit fernhalten mußte, bei der er vielleicht Helm und Rüstung benötigen würde. Die Gerüchte, die über seinen Speer mit dieser Inschrift im Umlauf waren, die sogar unter seinen Adligen Offizieren kaum einer lesen konnte, waren allerdings noch viel ausschweifender. Aber keines kam der Wahrheit auch nur im Entferntesten nahe. Die mit den Raben gekennzeichnete Klinge war während des Schattenkriegs von Aes Sedai angefertigt worden, noch vor der Zerstörung der Welt, und sie mußte niemals geschliffen werden. Außerdem bezweifelte er, daß er sie zerbrechen könne, und wenn er sich noch so sehr anstrengte.
Er winkte dankend auf solche Rufe hin, wie: »Das Licht leuchte Lord Matrim!« und »Mit Lord Matrim zum Sieg!« und ähnlichem Unsinn. So bahnte er sich mit Edorion zusammen den Weg durch die Menge. Wenigstens mußte er sich nicht hindurchdrängen, da die Menschen ihm Platz machten, sobald sie seiner gewahr wurden. Er wünschte sich, die Flüchtlinge würden ihn nicht mit solchen Blicken anstarren, als trage er ihre gesamte Hoffnung auf eine bessere Zukunft in der Rocktasche. Er wußte einfach nicht, was er für sie tun konnte, abgesehen davon, daß er selbstverständlich dafür sorgte, sie mit Lebensmitteln aus den Wagenzügen von Tear zu versorgen. Viele waren nicht nur abgerissen, sondern auch noch ziemlich schmutzig.
»Ist die Seife überhaupt in den Lagern angekommen?« brummte er.
Edorion hörte es trotz all des Lärms. »Ist sie. Die meisten tauschen sie aber bei den Händlern wieder gegen billigen Wein um. Sie wollen keine Seife. Sie wollen entweder über den Fluß oder den eigenen Kummer im Wein ertränken.«
Mat knurrte mürrisch. Den Übergang nach Aringill konnte er ihnen auch nicht verschaffen.
Bis der Bürgerkrieg und noch Schlimmeres Cairhien zerriß, war Maerone ein Knotenpunkt für den Handel zwischen Cairhien und Tear gewesen, und das bedeutete, daß es hier fast genausoviele Schenken und Tavernen gab wie Wohnhäuser. Die ersten fünf, in die er seine Nase steckte, unterschieden sich kaum voneinander, von der ›Fuchs und Gans‹-Schenke bis zur ›Kutscherpeitsche‹: alles Steingebäude mit vollen Tischen und gelegentlich aufflammenden Raufereien, die Mat gar nicht weiter beachtete. Immerhin gab es keine Betrunkenen.
Das ›Flußtor‹ ganz am anderen Ende der Stadt war Maerones beste Schenke gewesen, doch schwere Bretter, die man über die mit Sonnenscheiben beschnitzten Türen genagelt hatte, sollten die Wirte und Schankkellner dazu ermahnen, die Soldaten der Bande nicht betrunken zu machen. Trotzdem schlugen sich sogar nüchterne Soldaten gelegentlich - Tear gegen Cairhien und gegen Andor, Infanterie gegen Kavallerie, selbst die Männer eines Lords gegen die eines anderen, Veteranen gegen Grünschnäbel, Soldaten gegen Zivilisten. Die Raufereien wurden aber niedergeschlagen, bevor sie außer Kontrolle gerieten. Soldaten mit Knüppeln und breiten roten Stoffbahnen an den Unterarmen sorgten dafür. Jede Einheit kam an die Reihe, Rotarme für diesen Zweck abzustellen, jeden Tag andere Männer, und die Rotarme mußten alle Schäden bezahlen, die an einem Tag angerichtet wurden, an dem sie Dienst hatten. Das führte dazu, daß sie äußerst eifrig den Frieden zu wahren versuchten.
In der ›Fuchs und Gans‹-Schenke jonglierte ein Gaukler mit Flammenstäben, ein kräftiger Mann von mittleren Jahren, während in der Erinin Schenke ein anderer, hager und mit Halbglatze, die Harfe in den Händen hatte und einen Teil der Großen Jagd nach dem Horn rezitierte. Trotz der Hitze trugen beide ihren typischen Umhang mit Flicken in hundert verschiedenen Farben, die bei jeder Bewegung flatterten. Ein Gaukler würde eher seine Hand hergeben als seinen Umhang. Sie hatten ein durchaus aufmerksames Publikum, denn viele ihrer Zuschauer stammten aus Dörfern, in denen man den Besuch eines Gauklers noch freudig begrüßte, und ihre Zuschauermengen waren entschieden größer als die eines Mädchens, das in einer Taverne mit dem hochtrabenden Namen ›Zu den drei Türmen‹ auf einem Tisch stand und sang. Sie war ziemlich hübsch, hatte lange, dunkle Locken, aber ein Lied über die wahre Liebe konnte diese lärmenden und grölenden Männer nicht reizen, die dort an den Tischen tranken. In den übrigen Lokalen gab es bis auf ein oder zwei Musikanten keine Unterhaltung, aber dort waren die Gäste dafür noch lauter, und die
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