Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
vergangenen Monate. Die Hoffnung auf Rettung. Die Sehnsucht nach Vereinigung.
Lisanne hielt inne. Bren rannte an ihr vorbei, stellte sich vor Kiretta und breitete die Arme aus, als könne er der Schattenherzogin mit der Kraft seines lächerlich jungen Körpers Einhalt gebieten. »Ich mag nicht stark genug sein, um Euch aufzuhalten, aber ich werde es versuchen«, sagte er. »Ihr müsst mich töten, um an sie zu kommen! Der S CHATTENKÖNIG wird es erfahren.«
»Von wem?« Das Sternenlicht, das durch das offene Tor drang und von dem Silber zurückgeworfen wurde, schuf Schatten auf ihrem spöttisch lächelnden Gesicht.
»Von Euch selbst. E R weiß um unsere Feindschaft, S EINE Schatten werden in Euren Kopf greifen, und dann wird E R alles wissen.« Während er es sagte, glaubte er beinahe selbst daran. Gut möglich, dass es so käme, doch was wäre die Folge? G ERG wäre nicht erfreut, aber Lisanne war Lisanne und Bren war nur Bren. Vielleicht würde E R sie verbannen oder sie für einige Jahrzehnte in einen Schlaf zwingen. Oder sie an eine gefährliche Front befehlen. Oder auch nur im Thronsaal rügen. Aber töten würde E R sie nicht. Nicht für Bren. Also war nicht auszuschließen, dass sie den Preis zu zahlen bereit war.
»Ich sagte Euch bereits, dass ich Euch nicht töten werde. Ihr werdet leiden.« Lisanne warf Kirettas Haken auf den Boden, wo er einen scheppernden Tanz aufführte, bevor er zur Ruhe kam. »Erstaunlich, dass sie noch lebt. Ich hätte gern mit ihr gespielt. Aber so ist es mir auch recht. Jetzt habt Ihr wieder eine Stelle, an der Ihr verwundbar seid.« Sie netzte ihre Lippen. »Zuerst werde ich Euch lehren, was Sorge bedeutet, Bren. Wenn Ihr das begriffen habt, folgt Angst. Und dann Schmerz. Schmerz, der wahnsinnig macht.«
Trotzig reckte er das Kinn vor. »So wahnsinnig, dass man sich selbst die Augen auskratzt? Wie Ihr es getan habt, nach Helions Tod?«
Sie lächelte, als sie sich umdrehte und in die Nacht hinausging.
Kiretta spürte den misstrauischen Blick des Gardisten auf sich. Sein Handschuh knirschte, als er die Faust um die Schwertscheide schloss, bereit, die Waffe blitzartig zu ziehen, sollte Kiretta seinen Herrn verletzen wollen.
Sein Herr, das war seit gestern Bren. Erst in zwei Stunden würde die Sonne unter den Horizont sinken und ihn erwachen lassen. So lange läge sein Körper reglos wie eine Leiche auf dem ausladenden Bett unter der Ritterhalle. Ein Wächter stand daneben, einer an der Treppe, zwei vor dem Tor. Sie alle waren neu. Lisanne hatte Brens gesamte Garde so leicht gemordet, wie ein Kind Fliegen erschlagen hätte. Wegen ihr, Kiretta. Auch das mochte dem Mann durch den Kopf gehen, als er sie betrachtete, wie sie mit den Fingerkuppen über Brens helle Brust strich. Bren atmete nicht, und sein Fleisch war kalt. Die Gefahr, dass sie ihn wecken und damit in Raserei versetzen könnte, bestand nicht. Dafür musste man einen schlafenden Osadro energischer angehen.
»Sie sind nervös«, sagte Quinné. »Wegen Eurer Waffe.«
Die Unterwürfigkeit in der Stimme der schlanken Frau war ungewohnt für Kiretta. Sie war ein weiterer Stein, der den Berg der Unwirklichkeiten erhöhte, der Kiretta oft zu erdrücken schien. Die Ondrier waren ihr so fremd! Kiretta hatte unter den Freien Kameraden der Küste gelebt. Dort war es rau zugegangen, manchmal sogar brutal, aber Piraten sagten, was sie dachten, und taten, was sie sagten. Sie waren gierig und standen dazu, dass ihnen nichts über ein Fass Rum, ein paar feste Titten und eine Truhe voll Gold ging.
In Ondrien lag alles im Schatten. Der Kult predigte Bosheit und Verstellung als Tugenden der Starken und Klugen. Zwei Osadroi konnten Erzfeinde sein, aber die Kreise, in denen sie sich bewegten, entschuldigten keine Unhöflichkeiten. Lisanne hatte ein Dutzend Menschen bestialisch abgeschlachtet, hätte aber niemals ihre Umgangsformen vergessen.
Die letzten Monate verbargen sich vor Kiretta unter dem gleichen Nebel wie ein Traum kurz nach dem Erwachen. Die Mittel, die Nalaji ihr verabreicht hatte, waren halb Medizin und halb Droge gewesen, beeinträchtigten Wahrnehmung und Gedächtnis. Sie hätte nicht sagen können, wie viel Zeit seit Orgait vergangen war, wenn man es ihr nicht erzählt hätte. Nur beim Aufenthalt in Ejabon-vor-dem-Nebel war sie für ein paar Tage klar gewesen. Vorletzte Nacht hatte Bren sie befreit. Seitdem versuchte sie, ihren Verstand zu ordnen und wieder sie selbst zu werden.
»Das ist keine Waffe.« Sie hob den
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