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Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Titel: Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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rechten Arm, bis das Kerzenlicht auf dem blank polierten Haken schimmerte. »Er ist ein Teil von mir.«
    Quinné war eine merkwürdig widersprüchliche Erscheinung, mit ihren großen Augen und der unschuldigen Art, wie sie den Kopf in einer Mischung aus Frage und Aufbegehren zur Seite neigte. Sie wirkte verletzlich, aber zugleich verrucht in ihrem schulterfreien Kleid, das die kleinen, festen Brüste betonte. Weckten solche Frauen, halb Mädchen, halb Hure, Vergewaltigungsfantasien in Männern?
    Unwillkürlich verglich Kiretta Quinnés Erscheinung mit ihrer eigenen. Beide trugen schwarze Kleider, aber das war für jene, die sich in den höheren Kreisen Ondriens bewegten, beinahe schon selbstverständlich. Der Schnitt war unterschiedlich, bei Quinné spannte sich der Stoff eng am sehnigen Körper, während Kirettas Robe reich an Rüschen war, die bei jeder Bewegung raschelten. Kirettas Haar war rot und in Locken gedreht, die sich nur ungern bändigen ließen, Quinnés dagegen schimmerte schwarz wie Onyx und stand in kurzen Stacheln ab. Ihre Haut war blasser als Kirettas, was wohl daran lag, dass sie seltener im Freien unterwegs war und ihr Leben überwiegend nachts stattfand. Immerhin hatte sie nicht die unnatürliche Blässe von Jittara, der unheimlichen Nachtsucherin mit dem Kinderschädel auf dem Stab. Quinné war viel schlanker als Kiretta. Wenn die Adepta eine Lilie war, war Kiretta eine Rose. Das war schon wegen ihres stählernen Dorns ein passendes Bild.
    »Was Bren wohl dazu sagen wird, wenn er erwacht?«, murmelte sie. Der Haken war mit einem kunstvollen Aufsatz wieder am Arm befestigt worden. Auch an diesen Anblick würde sie sich noch gewöhnen müssen. Ihr Stumpf schloss jetzt mit einer ziselierten Glocke ab, nicht mehr mit einer hölzernen Halbkugel. Würde ihm auffallen, dass zwei Zoll fehlten? Die abgebrochenen Knochen von Elle und Speiche hatten nicht wieder verbunden werden können. Noch schmerzten die Stellen, wo der Medikus die Konstruktion verschraubt hatte, aber Kiretta wusste aus Erfahrung, dass sich das nach einigen Wochen legen würde. »Der Meister hat mir sogar eine Lederscheide mitgegeben, damit ich niemanden versehentlich verletze.«
    »Es wird ihm gefallen«, meinte Quinné und trat neben sie an Brens Bett. »Alles an Euch gefällt ihm.«
    Wieder knirschte der Handschuh des Kriegers, als Kiretta mit der Spitze des Hakens die Rippenbögen nachfuhr, dann die Narbe darunter. Es hatte Bren immer erregt, das Metall über seine Haut kratzen zu fühlen.
    »Erlösen wir den treuen Wächter von seiner Sorge.« Kiretta schmunzelte. »Gehen wir ein Stück.«
    »Wie Ihr wünscht.«
    Kiretta war oft durch Städte gegangen, die geplündert wurden. Sie kannte den Anblick brennender Häuser und das Geschrei von panischen Bürgern, wenn die Mannschaft eines Piratenschiffs zusammenraffte, was in ihrer Reichweite war. Doch Seeräuber stachen danach so schnell wie möglich wieder in See. Sie waren keine Eroberer wie die Ondrier. Kapitän Ulrik hatte schrecklich gewütet. Seine Überfälle waren für die Opfer Blitzschläge gewesen, verheerend, aber kurz. Das Schwarze Heer dagegen senkte sich wie ein Schatten auf ein erobertes Gebiet. Ein Schatten, den keine Sonne mehr vertrieb.
    Auch jetzt, bei Tage, sah Kiretta die Wolken auf den Gesichtern der Besiegten. Die meisten hoben den Blick nicht vom Boden, zögerten, an den Kriegern vorbeizugehen, die schwatzend an Straßenecken standen oder angetrunken aus Tavernen taumelten. Noch schlimmer waren die Razzor, die statuenhaft Wache hielten.
    Auf einer Brücke, deren Geländer mit nun zerbrochenen Bildnissen geschmückt war, hielt Kiretta inne. Sie legte die Hand auf den Sims und betrachtete die Wellen. »Wisst Ihr, wie dieser Fluss heißt?«
    Quinné zuckte die schmalen Schultern. »Er ist ein Fluss wie jeder andere.« Als Kiretta schwieg, fügte sie hinzu: »Ich kann seinen Namen in Erfahrung bringen, wenn Ihr es wünscht.«
    »Irgendwo wird auch dieser Fluss ins Meer fließen.«
    »Das mag so sein.«
    Kiretta sah in ihre dunklen Augen. »Ich kenne niemanden hier. Können wir Freundinnen werden?«
    »Ihr solltet nicht so sprechen. Ihr seid die Mätresse eines Unsterblichen. Ein allzu vertraulicher Umgang mit meinesgleichen wäre für Euch unangemessen.«
    »Und wenn mir das egal wäre?«
    »Das wäre unklug. Autorität muss man tragen wie einen Panzer. Wenn man sie ablegt, ist man ungeschützt.«
    Kiretta dachte an Lisannes Charisma, das tatsächlich eine

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