Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
ist eine schöne Stadt, sagst du?«, fragte Bren.
»Die schönste Ilyjias. Dichter weinen, wenn das Sternenlicht das Meer der Erinnerung küsst.« Königin Siérce war das Knien nicht gewöhnt. Ständig verlagerte sie ihr Gewicht. Ihr enges Kleid war nicht für eine solche Haltung geschneidert. Die gewickelten Stoffbahnen gingen an der Taille in einen Rock über. Trotz seiner goldenen Farbe wirkte das Kleid dunkel, weil sich Siérce bleich geschminkt hatte, als wolle sie ihren Feinden nacheifern.
Aber Siérce war ja keine Feindin mehr. Schließlich hoffte sie, ondrische Statthalterin im gefallenen Ilyjia zu werden.
»Dafür müssten wir an die Küste marschieren. Ist Pijelas stark befestigt?«
»Ich habe Order gesandt, die Stadtmauer einzureißen.«
»Und du glaubst, man wird dir gehorchen?«
»Ich bin die Königin«, sagte sie fest. »Aber vielleicht sollte ich solche Dinge besser mit der Schattenherzogin selbst besprechen?«
»Lisanne schläft«, versetzte Bren. »Die Nacht regiert schon seit drei Stunden. Sie wird heute nicht mehr erwachen.«
Unschlüssig rutschte Siérce ein Stück zur Seite. Bislang verhielt sie sich im Sinne ihrer neuen Herren, deswegen hatte man ihr ein gut gefüttertes Kissen zugestanden, anstatt sie direkt auf dem Boden knien zu lassen.
Bren saß auf einem transportablen Thron aus schwarzem Holz. Man hatte weitgehend auf Schnitzereien verzichtet, nur die Armlehnen deuteten die Formen von Schwertklingen an. Der Sitz eines Feldherrn. Sie befanden sich in seinem Zelt, auf einem Hügel außerhalb des Bereichs, der einmal eine Stadt gewesen war. Die Vorhänge am Eingang waren aufgezogen, die Glut in den Trümmern gut zu sehen.
»Auch bevor sich die Schatten auf Ilyjia senkten, war die Herrschaft des Königshauses umstritten, wenn man mich richtig informiert hat. Der Tempel der Mondmutter und die Paladine der Mondschwerter hatten mehr Macht, als andere Monarchen geduldet hätten.«
»Die Dreifach Gepriesene wurde von Euren Razzor zerrissen, und der Ordensmarschall blieb auf dem Feld, mit dem Gesicht im Staub. Es gibt nur noch mich.«
»Gefällt dir das? Allein die Zügel zu halten?«
»Die Umstände sind so bedauerlich, dass ich lieber gestorben wäre, als dies zu erleben, Schattenherr.«
»Wenn du dich nach dem Tod sehnst, lässt sich das nachholen.«
»Dadurch würde Akene auch nicht wieder aufgebaut.«
Bren lehnte sich vor. Die junge Frau schien keine Angst zu haben. War ihr der Verstand entglitten? Das wäre verständlich gewesen angesichts der Dinge, die sie in den vergangenen Tagen erlebt hatte. »Wie alt bist du?«
»Vierzehn Jahre, Herr.«
Sie wirkte älter, obwohl Bren nicht glaubte, dass Lisanne oder Velon Essenz von ihr genommen hatten. Wahrscheinlich hatte man sie gut auf ihr Amt vorbereitet, immerhin waren ihre Eltern schon vor mehr als einem Jahr gestorben. Die Last der Verantwortung zerbrach manche und ließ andere erwachsen werden.
»Wird dein Volk dich nicht für eine Verräterin halten, wenn du uns eine Stadt übergibst, ohne um sie zu kämpfen?«
»Einige werden das, aber Träume von Freiheit darf sich eine Königin in diesen Nächten nicht erlauben. Die Schatten legen sich auf die Welt. So sagt Ihr doch.«
Bren nickte langsam. »Gut, dass du das begriffen hast. Und du willst so viel von deiner Macht bewahren, wie unter diesen Umständen möglich ist. Statthalterin der Schatten zu sein ist nicht so gut wie ein unabhängiges Königreich, aber besser als nichts.«
»Wenn Ihr es sagt.«
»Und was sagst du?«
Sie sah über die Schulter durch den offenen Zelteingang auf die Trümmer Akenes. Als sie sich wieder Bren zuwandte, war ein Krächzen in ihrer Stimme. »Ich sage, dass ich gesehen habe, was mit denen geschieht, die sich zur Wehr setzen. Nichts bleibt ihnen. Nichts außer Asche. Noch nicht einmal ihre Gräber. Niemand wird sich an uns erinnern, wenn wir uns nicht beugen.«
»Wir werden dennoch alle Tempel von Pijelas schleifen, den Boden entweihen und es den Klerikern des Kults überlassen, wie sie das Volk am besten in die Schatten führen.«
»Kein Schicksal kann schlimmer sein als das, was Akene widerfahren ist.«
Führte sie ihn in eine Falle? Konnten die menschlichen Priester einen zweiten Geistersturm beschwören? Immerhin lag Pijelas am Meer der Erinnerung. Die Geister der Fayé hatten sich nicht an Land halten können, als der Orkan abgeflaut war. Soweit bekannt, waren sie alle in den Seelennebel zurückgekehrt.
Aber im Unterschied zur
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