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Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Titel: Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Schmerz, sondern auch ihre Ränder, ihre Ausmaße, die Kerbe in einem Nackenwirbel, die zertrennten Fasern auf der linken Seite, als würde er sie betasten.
    Sein Denken klärte sich. Dennoch hielt er die Augen geschlossen. Er brauchte mehr Essenz, viel mehr Essenz! Also folgte er ihrem Strom zurück, nutzte seine mystische Kraft, um das Silber aus seiner Bahn zurückzudrängen, den ganzen Weg hinauf bis in seinen Kopf.
    Ehla begriff, was er tat. Das steigerte ihren Stolz noch, ließ die Essenz intensiver schmecken. Sie verbreiterte den Zustrom und sandte ihm mehr von ihrer Lebenskraft.
    Bald konnte Bren die Essenz so weit verdichten, dass sie genug Stofflichkeit besaß, um den Silberstaub bis in seinen Rachen zu bewegen. Als er die ersten Brocken davon ausspie, war es, als ob er einen Teil seines Schmerzes auf den Boden spuckte. Er musste daran würgen und fühlte sich, als ersticke er, weil es in manchen Momenten den Essenzfluss blockierte, aber irgendwann hatte er sich davon gereinigt.
    Am Hals konnte er seine Hände zu Hilfe nehmen, um die Wunde zu säubern und den Staub zusammen mit den Metallspänen, die sich von der Klinge gelöst hatten, herauszuholen. Aber den Kopf konnte er nur unvollkommen bewegen. Die durchtrennten Muskeln fehlten ihm, er lag beinahe hilflos in Ehlas Händen. Eine unwürdige Situation, für die der Arriek büßen würde!
    Da der Weg für die Essenz jetzt frei war, sog er sie mit tiefen Zügen ein. Nun mischte sich auch Furcht hinein, aber der Stolz blieb beherrschend. Bren sandte seinen Geist in Nase, Luftröhre und Lungen. Jetzt, da der Staub fort war, schien dort alles in Ordnung. Blieb noch die Halswunde. Er versuchte, sie zu heilen, das tote Fleisch zusammenwachsen zu lassen.
    Aber es gelang nicht.
    Silberwunden können wir nicht heilen.
    Aber wer wusste schon, was ein Osadro, was Bren tun konnte? Hatte er nicht Fähigkeiten gezeigt, die alle überrascht hatten? Und was war mit den Kerben in Xenetors Gesicht? Viele glaubten, dass sie von Silberwunden stammten. Also hatte er sie geheilt. Zurückbleibende Narben waren für einen Krieger ohnehin keine Entstellung, sondern Ehrenzeichen.
    Aber hier stieß Bren auf ein unüberwindliches Hindernis. Er konnte seinen Körper bis zu dem Schnitt hin fühlen und mit seinen Fingern von außen in der Wunde tasten. Aber dazwischen war so etwas wie eine pergamentdünne Schicht, die er nicht zu fassen vermochte. Dabei gab es dort nichts, ganz sicher jedenfalls kein Silber, sonst hätte er vor Schmerz geschrien!
    Ausschlaggebend schien zu sein, dass sich das Silber dort gewaltsam Eintritt in seinen Körper verschafft hatte. Das war ein unumkehrbares Ereignis, durch nichts zu ändern, was er jetzt, in der Gegenwart, tun konnte.
    Doch damit fand sich der Krieger in ihm nicht ab. Er rief nach noch mehr Essenz. Wie ein Knabe immer wütendere Attacken gegen einen Schwertmeister führte, der ihn verspottete, so bestürmte Bren seine Wunde. Mit der gleichen verbissenen Hingabe. Und mit der gleichen Erfolglosigkeit.
    Die Angst nahm weiter zu in der Essenz, die er schmeckte. Das störte ihn nicht, Angst bei anderen zu spüren ging häufig einem Sieg voraus.
    Der Stolz war noch immer neben der Angst, und auch – wenngleich schwächer als diese beiden Empfindungen – Ehrerbietung sowie namenlose Bewunderung für die Schatten und die Macht der Finsternis. Ehla hatte stets danach gestrebt, sich mit ihrem ganzen Wesen dem Kult hinzugeben.
    Aber dann spürte Bren etwas, das ihn zurückschrecken ließ. So unerwartet war es und so anders als alles, was er zuvor in der Essenz gefunden hatte, dass es schmeckte wie eine Pfefferschote in einem Berg aus Trauben. Hier, ganz am Grund von Ehlas Seele, begraben, beinahe erstickt unter dem Hass, dem Neid, der Selbstsucht, dem Ehrgeiz. Schlicht wie eine Kerzenflamme, die in einem nächtlichen Sturm ums Überleben kämpfte: die Liebe einer Mutter zu ihrem einzigen Kind. Immer wieder verleugnet, aber offensichtlich niemals gänzlich abgetötet.
    Bren riss die Augen auf.
    Er sah in ein Gesicht, mit dem verglichen eine Moorleiche jugendlich erscheinen musste. Tiefe Runzeln klafften in einer ledrigen Haut, die von dunklen Flecken gezeichnet war. Einige dieser Falten quollen von dem Blut über, das aus erblindeten Augen floss. Das Haar bestand nur noch aus vereinzelten Büscheln dünner, weißer Strähnen. Die verdorrten Lippen gaben den Blick auf drei vergilbte, schiefe Zähne frei.
    »Schluss!«, rief Bren und stieß sie fort. Er

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