Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
gelang nicht. Er war zu schwach, konnte sich nicht konzentrieren. Der Schmerz überwältigte ihn, drohte, ihn in eine neuerliche Ohnmacht zu drücken.
Auch als er die Augen wieder öffnete, konnte er nichts erkennen außer schwarzen und roten Schlieren.
Wenigstens kam sein Gehör zurück.
»… stärken«, hörte er eine Frauenstimme. »Er braucht Essenz. Dies ist die Zeit für ein Opfer!«
»Ich habe Kristalle!«
»Nein!« Das war Jittaras herrischer Tonfall. »Das Opfer muss selbst mithelfen. Die Essenz muss unbedingt ihr Ziel erreichen. Nichts darf verloren gehen! Sie darf weder zu schnell noch zu langsam abgegeben werden.«
»Ich wurde nie ausgebildet, um …«
»Stell dich nicht so an! Du weißt, dass du es kannst!«
Jemand stolperte heran. Bren fühlte, wie er an den Schultern gefasst wurde. Nein, dieser Jemand hielt sich an Bren fest. Er wäre sonst gefallen. Oder sie. »Herr«, wimmerte Quinné. Er erkannte die zarten Hände. Bren wunderte sich, dass er das spüren konnte, obwohl der Schmerz ihn so sehr beherrschte. Das Silber schien auf einer anderen Ebene zu wüten als auf der rein körperlichen. »Nehmt von mir.« Quinnés Stimme zitterte. »Nehmt, was Ihr braucht.«
Er fühlte ihre Angst und griff danach – wie jemand, der fiel und verzweifelt einen Halt suchte. Aber er bekam die Essenz nicht zu fassen! Wie konnte das sein? Er spürte Quinné. Ihre Emotion war deutlich auf ihn gerichtet. Und dennoch!
Entschlossener rief er die Essenz. Aber seine Nase war von dem Silberstaub blockiert. Möglich, dass die Lebenskraft Quinnés Brust verließ, aber er vermochte sie nicht aufzunehmen.
»Mehr Hingabe!«, forderte Jittara. »Denk an das Heil unseres Herrn!«
Quinné weinte. »Ich will nicht sterben.«
»Du bist nutzlos!« Eine weitere Stimme, die Bren nicht sogleich erkannte. »Weg von hier!«
Quinnés zitternde Hände verschwanden. Unmöglich hätte Bren sie so deutlich spüren können, wenn er noch seine Rüstung getragen hätte, also hatte man ihn wohl entkleidet.
Jemand fasste sein Gesicht, warme Hände legten sich auf seine Wangen. Sein Blick klärte sich so weit, dass er den Schemen eines Kopfs vor sich erkennen konnte.
Diesmal brauchte er die Essenz nicht zu rufen. Sie kam von allein zu ihm. Behutsam, wie die tastenden Fühler eines Nachtfalters, erkundete sie den Weg in seinen Körper hinein, die Luftröhre hinunter, durch die Brust. Ein spinnfadendünnes Gerinnsel nur. Auch hier schmeckte Bren Furcht, vor allem aber Stolz.
Vorsichtig sog er die Luft ein, doch das wirbelte den Silberstaub auf, den er in sich trug. Der Strom riss ab.
»Ruhig, mein Sohn.« Das war Ehla! »Lasst mich Euch dienen, indem Ihr es einfach geschehen lasst.« Sanft drückte sie ihn zurück, legte ihn auf den Boden. Er war weich, Gras und Erde, kein Gebäude, noch nicht einmal einer der Teppiche, mit denen die Diener sein Zelt auslegten.
Bren konzentrierte sich darauf, reglos zu verharren. Ehla war eine Dunkelruferin, sie wusste den Fluss der Essenz zu leiten. Wieder tastete sich ein Rinnsal vor, erkundete einen Weg in Brens Körper hinein, suchte eine Möglichkeit, die Lebenskraft für ihn nutzbar zu machen.
Derweil zerrte der Silberschmerz noch immer an Brens Verstand. Dieser wahnsinnige Arriek! Eine hohle Attrappe mit Silberstaub, um ihn zu lähmen, und ein Schwert mit einer Silberschneide, durch Farbe unkenntlich gemacht. Jetzt war Bren auch klar, warum sich sein Feind vor dem Haus gehalten hatte. So hatte Bren das Ziehen des Silbers auf die Beute zurückgeführt, die sie in der Vorratskammer eingelagert hatten. Jeder wusste, dass Bren einen Übungskampf mit einem guten Fechter niemals ausschlug, und so hatte dieser Köder ausgereicht, um ihn in die Falle zu locken. Aber wenn er den Arriek in die Finger bekäme, würde sich dieser wünschen, niemals geboren worden zu sein! Wenn seine Krieger ihn nur nicht bereits getötet hatten …
Brens Wut gab ihm die Stärke, lange genug durchzuhalten, bis Ehla einen Teil seiner Lunge fand, der von dem Silberstaub verschont geblieben war. Dorthin lenkte sie die Essenz.
Was für eine Wohltat! Der Zustrom gab ihm neue Kraft. Die Essenz war wie die Dunkelheit einer Winternacht, kalt genug, das Feuer des Schmerzes zu ersticken. Er sandte sie zunächst in seinen Hals, um die größte Pein zu lindern. So sehr konzentrierte er sich auf diese Aufgabe, dass er das Gefühl dafür verlor, wie viel Zeit verging. Irgendwann spürte er die Wunde am Hals – nicht mehr nur als
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