Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
Gardisten riefen wild durcheinander.
Bren betastete das Eisenstück, das aus seinem Gesicht ragte. Sein Kopf schmerzte, aber es ließ sich aushalten. Die Wunde, die einen Menschen wahnsinnig vor Pein gemacht, wenn sie ihm nicht das Bewusstsein geraubt hätte, beeinträchtigte ihn kaum mehr als ein Schnitt in den Finger.
Fasziniert wandte er sich ab und kletterte von dem Podest. Der Seelenbrecher konnte seine Aufregung nicht verbergen. Bren ließ sein Geplapper unbeachtet und zog das Eisenstück aus dem knirschenden Knochen. Lautes Knacken übertrug sich in seine Ohren und übertönte alle anderen Geräusche. Blut war an dem Metall, weiteres floss aus der Wunde, aber es versiegte schnell.
Der Vorgang faszinierte nicht nur Bren selbst, sondern auch die Gardisten. Die meisten sahen verschämt zur Seite, als er ihre Aufmerksamkeit bemerkte, aber Dengor hielt seinem Blick stand. Sogar den Hauch einer Herausforderung vermeinte Bren in den Augen des Barbaren zu erkennen. Unwillkürlich straffte er sich.
Der Seelenbrecher hielt ihm den Kristall auf die gleiche Weise entgegen, wie er es schon bei Brens Erwachen getan hatte. »Die Essenz wird Euch helfen, die Wunde zu schließen, Herr«, behauptete er.
Schon in den wenigen Nächten, die er in den Schatten verbracht hatte, war Bren klar geworden, dass sein untoter Körper oftmals dann am besten arbeitete, wenn er darauf verzichtete, ihn bewusst zu steuern, und einfach den Instinkten ihren Lauf ließ. Er breitete die Arme aus, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken.
Er spürte die Essenz in dem Kristall. Lebenskraft, vom Kult gesammelt. Dazu war notwendig, dass die Menschen, die sie gaben, Gefühle auf die Osadroi richteten. Je stärker die Emotion, desto ergiebiger war die Ernte. Ob es sich um Abscheu, Furcht, Hass oder Hingabe handelte, war ebenso belanglos wie das konkrete Objekt, auf das sie sich richtete. Sie konnte einem speziellen Schattenherrn gelten, einer Statue oder den Meistern Ondriens in ihrer Gesamtheit.
Bren rief die Essenz zu sich. Er spürte ihr Knistern, als sie sich in einem kontinuierlichen Strom aus ihrem Gefäß löste und zu ihm schwebte, fühlte das Prickeln in seiner Nase, als er sie einatmete. Sie füllte seine Stirn aus, strahlte warm vom Platz hinter den Augen bis in den Rachen. Von hier aus strömte sie in den Körper, durch die herzlose Brust, den Bauch, die Arme und Beine bis in die Spitzen von Zehen und Fingern. Nur das Ausatmen, wenn die Luft, die er mit der Essenz einsog, die Lungen gefüllt hatte, erforderte eine bewusste Entscheidung.
Essenz war nicht nur Genuss, sie war auch Kraft. Bren spürte die Stärke in jeder Faser seines Körpers, war versucht, sich eine schwere Last zu suchen und sie zu heben, aus keinem anderen Grund, als dass er es konnte, oder mit einem Stier zu ringen und ihm die Hörner zu brechen.
So sehr nahm ihn die Erfahrung gefangen, dass ihm beinahe entgangen wäre, was mit der Wunde geschah. Als er sich darauf konzentrierte, hörte er das Knacken der Knochensplitter, die an ihre alten Plätze zurückwanderten, sich wieder zusammenfanden und verbanden. Sie gaben Hitze ab, als sie miteinander verschmolzen, schwitzten weiteres Knochenmaterial aus, um zu ersetzen, was er mit dem Eisenstück herausgezogen hatte. Auch Fleisch und Haut regten sich, überdeckten die Wunde.
Als keine Essenz mehr nachkam, öffnete Bren die Augen. Der Kristall war leer und durchsichtig wie meisterhaft geblasenes Glas. Der Seelenbrecher ließ die Hände sinken. »Wünscht Ihr, Euch von mir weiter zu nähren, Herr?«
Bren spürte die Verbindung zu dem Menschen. Der Sterbliche fühlte etwas für Bren, und das wäre wohl stark genug, um als Brücke für die Lebenskraft zu dienen. Aber er schüttelte den Kopf.
Seine tastenden Finger bestätigten, dass sich die Wunde geschlossen hatte. Der Knochen hatte noch nicht die alte Festigkeit, er gab unter dem Druck nach, und die Haut fühlte sich an wie nach einem Sonnenbrand, aber es gab keine Öffnung mehr. Mit der Zunge tastete er die Zähne ab und fand sie alle an ihrem Platz.
»Die Heilung wird bald abgeschlossen sein«, sagte der Seelenbrecher. »Nach dem Tagschlaf werdet Ihr bemerken, dass die Stelle …« Er runzelte missbilligend die Stirn, als hinter Brens Rücken ein Schrei erklang.
Bren wandte sich um. Dengor hatte den Arm des Mannes, gegen den Bren gefochten hatte, so heftig gegen einen der Eisenpfosten geschlagen, dass er unterhalb des Ellbogens gebrochen war.
»Was tust
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