Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
du?«, rief Bren.
Dengor hielt inne und sah ihn mit seinen eisklaren Augen an.
»Dieser Gardist hat einen Osadro verletzt, Herr«, erklärte der Seelenbrecher. »Das schuldige Glied wird bestraft.«
»Aber ich bin doch bereits wieder hergestellt.«
Der Seelenbrecher trat neben ihn. »Hat die Strafe Euer Missfallen erregt?«
Besorgnis huschte über Dengors Züge.
Dies war einer der Momente, in denen Bren bewusst wurde, was es bedeutete, ein Schattenherr zu sein. Er gehörte nun zu den Meistern Ondriens. Wenn sich ein Welpe in den Stiefeln seines Herrn verbiss, dann trat man ihn, egal, ob die Milchzähne das Leder zu durchdringen vermochten oder nicht.
Bren schüttelte den Kopf. »Nein, aber hiermit soll es genug sein. Bringt den Mann zu einem Medikus, er hat tapfer gekämpft.«
»Und was soll mit Dengor geschehen?«, lauerte der Seelenbrecher.
Die Bewegungen des Barbaren offenbarten, dass die Muskeln bei aller Kraft ihre Geschmeidigkeit bewahrt hatten. Bren musste ihn nicht kämpfen sehen, um sein Geschick mit dem Schwert zu erkennen.
»Er soll meine Leibwache anführen«, flüsterte Bren, dessen Augen noch immer diejenigen Dengors festhielten. »Und er soll auch meine anderen Gardisten auswählen. Ich bin sicher, er kennt die Männer und wird klug entscheiden.«
Vejata wurde oft unterschätzt, weil er der kleinste der drei Monde war. Doch Nalaji wusste, dass sein hellblaues Licht ebenso viel Kraft hatte wie das Rot Stygrons oder das Silber, in das Silion die nächtliche Landschaft tauchte, wenn er voll am Himmel stand.
Obwohl sie sich außerhalb der Stadt befanden, wagten sie keine lauten Gesänge. Das Dutzend Gläubige summte Lieder, um die Milde der Mondmutter zu preisen und ihre Gnade für Kiretta zu erflehen, die unter drei Wolldecken in der Mitte des Kreises lag. Auch auf Feuer verzichteten sie, nur in einer Handvoll Messingbecken glühten Kohlen. Die Hänge, die sich um die Senke erhoben, verbargen den Lichtschein vor Beobachtern, die auf der Ebene unterwegs waren. Sie hatten lange gebraucht, einen geeigneten Hügel zu finden. Dieser besaß auf der Spitze eine beinahe kreisrunde Einbuchtung, als hätte einmal eine riesige Steinkugel auf ihm gelastet.
Eine knappe Wegstunde südwestlich von Orgait trafen sie sich bei jedem Vollmond, ganz gleich, welcher der drei Söhne der Mondmutter sein Antlitz gänzlich enthüllte. Mitten im Land der Schattenherren hielten sie den Göttern die Treue, eine verschworene Gemeinschaft.
Oder auch nicht. Während sie hellen Dampf in die Kälte atmete, fragte sich Nalaji zum hundertsten Mal, wie Monjohr von ihnen erfahren hatte. War ein Verräter unter den Menschen, die sich hier fromm vor- und zurückwiegten und die heiligen Gesänge summten?
Nicht Ungrann, der Gardist. Das wäre zu offensichtlich gewesen. Ein Gegenspion hätte eine bessere Tarnung. Außerdem hatte Ungrann so oft das vertrauliche Gespräch mit Nalaji gesucht, ihr von den Qualen berichtet, die es ihm bereitete, den Dienst in der Garde zu tun, dass sie sicher war, dass er sie nicht belog. Wer einmal in die Garde eintrat, konnte sie nur noch durch das Grab wieder verlassen. Ungrann weinte bittere und aufrichtige Tränen wegen der leichtfertigen Begeisterung, die ihn als halbes Kind den Eid der Kultkrieger hatte schwören lassen. Immerhin musste er keinem der ganz Alten dienen. Man sagte, die Bosheit nähme mit den Jahrzehnten zu. Ungrann war letzte Nacht Bren zugeteilt worden, dem jüngsten der Schattenherren.
Dem Geliebten Kirettas, deren vor Fieber zitterndem Körper die Mühen dieser Nacht galten. Auch dabei konnte es sich nur um einen Zufall handeln. Nalaji tupfte Kirettas Stirn ab und murmelte den Segen des Blauen Heils – ein gutes Gebet, wenn Vejata seine Kraft ausgoss. In den vergangenen zwei Tagen hatte sie das Fieber im Körper ihrer Patientin angefacht. Jetzt ging es darum, es herauszuziehen, zumindest den Teil, der ihre Kräfte überstieg. Etwas Feuer wollte Nalaji in den Adern belassen, es würde die Entzündung ausbrennen, die von der Wunde in das Fleisch geschwemmt war. Der Arm war ihre größte Sorge. Er war unklug behandelt worden. Sie hatte die scharfen Bruchkanten abgestumpft und die Splitter herausgeholt, damit nicht noch mehr Schaden angerichtet wurde. Vielleicht war es dennoch zu spät für das Glied.
Nalaji sah Narron an, der sie aber nicht bemerkte, weil er gänzlich in sein Gebet vertieft war. Er war der Einzige in dem Kreis der Gläubigen, der mit dem Gesicht zu Kiretta und
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