Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
mich davonmachen, so schnell es mir möglich ist. Denn meine Natur ist die einer Freien.«
Bren stürzte aus dem Sattel. Er merkte kaum, wie er auf den Boden schlug. Zu gewaltig war der Schmerz in seiner Brust. Sofort war die Erinnerung an die Nacht wieder da, in der Schattenherzog Xenetors Hand ihm mit einem brutalen Griff der kalten Finger das Herz aus dem Körper gerissen hatte.
So schnell schon, dachte Bren noch, dann spülte die Qual alle Überlegungen davon.
Seine Sicht klärte sich nur allmählich.
Attego hockte neben ihm und sah mit unverhohlener Neugier zu ihm herab. Was hatte er erwartet? Kleriker weideten sich an der Pein anderer. Die Fähigkeit, Mitleid zu empfinden, warfen sie gleich einem Rucksack voller Steine ab, wenn sie zu Seelenbrechern wurden. »Was ist geschehen, Herr?«, fragte er. »Ein Angriff?«
»Nein.« Brens Stimme klang nicht angeschlagen. Keiner, von dem du wissen solltest, fügte er in Gedanken hinzu.
Der Schmerz war fort, als hätte es ihn niemals gegeben.
Bren wusste genau, was geschehen war. Zu Beginn der Nacht, am Wehrturm, wo sie sich danach erkundigt hatten, ob drei Reisende mit einem Esel auf dem Weg nach Osten gesichtet worden waren, hatte ihn der Befehl erreicht. Alle Osadroi im Umkreis von einhundert Meilen hatten sich in Zorwogrod einzufinden, bei Widajas Heer. Er hatte den Raben mit der Nachricht am Fuß Richtung Orgait davonfliegen sehen, als sie ihren Weg in die Wetterberge fortgesetzt hatten. Er kann nicht länger als eine Stunde dort sein. Dann noch der Abstieg in die Kammer der Unterwerfung, wo mein Herz ruht … Der Schattenkönig zögert nicht, mir Sein Missfallen kundzutun. Hatte E R selbst das Herz gequetscht? Oder hatte E R jemand anderen geschickt? Lisanne hätte diese Aufgabe sicher mit Freuden übernommen.
»Herr?«, fragte Attego. »Hört Ihr mich?«
Vorsichtig stand Bren auf. Er fühlte keine Schwäche mehr in seinem untoten Leib. Aber er spürte noch diese Taubheit, die ihn auch in Wetograd zu dem Ort geführt hatte, an dem Nalaji das Wunder ihrer Göttin gewirkt hatte. Das Gefühl war schwächer, doch das wurde dadurch ausgeglichen, dass es in den Bergen kaum etwas gab, das ihn ablenkte. Hier draußen lebte kein Mensch, erst recht nicht, seit die Truppen nach Zorwogrod beordert wurden. Selbst die Monde störten in dieser Nacht kaum, Wolken hatten sich davorgeschoben. Dafür nahm Bren den beständig nieselnden Schnee gern in Kauf.
Entschlossen schwang er sich in den Sattel. »Weiter!«
Nachdem Attego zum zweiten Mal vom Pferd gerutscht war, wurde der Pfad auch für Bren zu steil zum Reiten. Sie saßen ab und führten die Tiere am Zügel, was Attego zunächst erlöst aufseufzen ließ, weil die Innenseiten seiner Oberschenkel, wie er sagte, ›brannten, als wären sie in Nesseln gewickelt‹. Bald jedoch ächzte er unter der Anstrengung des Fußmarschs. Wenigstens jammerte er Bren nicht die Ohren voll, dafür hatte er offenbar zu viel Respekt vor dem Osadro. Oder zu viel Furcht. Im Kult war das dasselbe.
Bren sah zu den Sternen auf. Die Hälfte der Nacht war bereits vorüber. Seine Jugend erlaubte ihm, bis kurz vor der Dämmerung bei Bewusstsein zu bleiben, aber dann würden sie wieder das Loch im Boden ausheben und das schwarze Zelttuch darüberbreiten müssen. Attego würde es mit Erde bewerfen, und Bren würde darin ruhen, bis die Dunkelheit zurückkehrte. Und in all den Stunden dazwischen würde sich Kiretta weiter entfernen. Wären die Flüchtigen auch jetzt unterwegs? Oder warteten sie in einem Nachtlager? Bren hoffte, dass auch sie rasten mussten, trotz der Gnade der Mondmutter, die auf ihr Unterfangen scheinen mochte.
Und die seine beste Möglichkeit darstellte, sie aufzuspüren. Er fand sich immer sicherer in das Gespür hinein, das ihm die Richtung zur Wunderkraft der Göttin zeigte. Wenn er älter gewesen wäre, die Kräfte der Osadroi beherrschen gelernt hätte, dann hätte er sich mit augenverwirrender Geschwindigkeit bewegen oder Zauber wirken können, die seine Beute aufgestöbert hätten. Eine Schattenherzogin wie Lisanne hätte die Bäume auf diesem Berghang vielleicht in Rauch aufgehen lassen und die Flüchtlinge so jeder Deckung beraubt.
Als Feldherr hatte Bren gelernt, die Kräfte zu nutzen, die ihm zu Gebote standen, anstatt mit Unzulänglichkeiten zu hadern. Also konzentrierte er sich auf sein Gespür. Er wusste, dass die grobe Richtung stimmte. Die Göttin wirkte im Osten, genauer gesagt in Ostsüdost. Manchmal spürte er
Weitere Kostenlose Bücher