Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
durchsichtig, sodass die Organe zu erkennen waren.
Wespen, die Stacheln zum Stich ausgefahren.
Fette schwarze Fliegen, die sich sofort zu Schwärmen zusammenfanden.
Spinnen – zuerst nur einzelne, behaarte Beine, bis sich die Öffnungen so weit vergrößerten, dass die faustgroßen Leiber hindurchpassten.
Hirschkäfer, deren Panzer und Zangen metallen glänzten.
Ein paar Dutzend Fledermäuse flatterten aus der Dunkelheit unter der Decke. Sie schienen nicht von Lisanne gerufen worden zu sein, denn sie bedienten sich an dem Festmahl. Es machte keinen Unterschied. Immer mehr niederes Getier folgte Lisannes Locken. Der Boden war bald ein See aus glänzendem Chitin, die Luft ein Nebel schwirrender Leiber.
Lisannes Diener ignorierten die Kleriker, aber sie stürzten sich auf die Fayé, die endlich ihre Angst herausschrien, als sie unter der Flut von Beinen und frei schwingenden Kiefern begraben wurden. Unzählige Bisse rissen die Haut der sogenannten Unsterblichen auf, Rüssel von Schmeißfliegen sogen das Blut, bevor es auf den Boden tropfen konnte, Spinnen spien Säure auf das offen liegende Fleisch, um es auflösen und schlürfen zu können.
Es ging unendlich langsam. Irgendwann bildeten die Schreie der Gemarterten eine so dichte Kulisse, dass Bren sie kaum noch wahrnahm. Stattdessen spürte er die Kraft der Finsternis, für die Lisanne eine Brücke baute. Da war eine Wesenheit, nur knapp jenseits der Wirklichkeit, auf dem Weg in die Welt des Greifbaren, aber sie zögerte noch. Für sie war fremd, was Bren vertraut war. Sie war mächtig, dort, wo sie existierte, und misstrauisch, was die Lockungen Lisannes anging. Aber wer hätte schon dieser Frau widerstehen können? Lisannes Attraktivität war weit mehr als körperliche Schönheit. Lisanne war die Verkörperung der Perfektion, in ihrem Auftreten, ihrem Reden, ihrem Denken, sicher auch in den Dimensionen, die von den Sinnen der fremden Wesenheit erfasst wurden.
Lisanne klatschte in die Hände.
Attego verneigte sich tief. »Öffnet sie«, befahl er, als er sich aufrichtete.
Die Seelenbrecher griffen in ihre Gewänder und beförderten ihre Werkzeuge hervor. Eines war ein Hammer, etwa so geformt wie der eines Zimmermanns, das andere eine Art Meißel, aber mit in die Breite gedehnter Spitze, ähnlich einem Axtblatt. Jeder Kleriker begab sich zu einem Fayé und löschte die Kerze vor dem Erwählten. Die zertretenen Käfer knirschten unter den Sohlen.
Die Gefolterten bemerkten erst spät, was vor sich ging. Die Insekten beanspruchten sie zu sehr, als dass sie Aufmerksamkeit für das kalte Metall hätten erübrigen können, das in ihre Stirn schnitt, als die Seelenbrecher ansetzten.
Manche waren so geschickt oder so glücklich, dass sie den Keil mit dem ersten Schlag durch den Knochen trieben. Andere hatten das Pech, dass sich ihre Opfer wehrten und versuchten, ihrem Schicksal auszuweichen, sodass der Keil abrutschte. In jedem Fall waren die Schreie unmenschlich. Was die durch die Insekten verursachte Pein nicht hervorzubringen vermocht hatte, quetschte die Todesangst heraus.
Einige Schädel brachen so sauber auf wie Austern, die man aufhebelte. Andere mussten Stück für Stück zertrümmert werden. Das war selbst für manche Seelenbrecher zu viel. Sie übergaben sich, versuchten, zu ihrer Aufgabe zurückzukehren, mussten aber wieder ihrem Magen nachgeben. Ihr Erbrochenes war den Käfern willkommene Nahrung.
Irgendwann hatten alle dreizehn Kleriker ihr Werk vollbracht. Sie mussten die krabbelnden Folterknechte verscheuchen, um die Gehirne entnehmen und zu Lisanne tragen zu können.
Bren bemerkte, dass die Essenzkristalle leer waren, als die Seelenbrecher ihre Gaben zu Füßen der Schattenherzogin legten. War es Brens Sicht, die verschwamm, oder blutete neben Lisannes Thron die Wirklichkeit? Die Steinsäulen dort bogen sich wie Spiegelbilder auf einem bewegten Teich.
Bren spürte die Wesenheit auf der anderen Seite jetzt deutlich. Da waren Gier und Kraft und Hass.
Nein. Der Hass war nicht auf der anderen Seite. Er war hier, in Brens Wirklichkeit. Er kam von Lisanne, sie schöpfte ihn tief aus ihrer schwarzen Seele und verfütterte ihn an das Wesen, um es hervorzulocken.
Und es kam.
Es war schon zu weit gegangen, um noch umzukehren, aber noch war es nicht wirklich, noch war es mehr Albtraum als Person. Es suchte noch nach einem Körper, einer Gestalt. Tastete über die Gaben, die dreizehn Hirne, die ihm dargebracht wurden. Es erfasste, was sie zuletzt
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