Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
andere gab er Gadior, der den rechten Arm noch immer um Brens Schultern gelegt hatte. So folgten sie dem Gang, bis sie eine Treppe erreichten, die sie in die Festung brachte. Gadior übergab den Knaben einer wartenden Magd, der er auch auftrug, angemessene Kleidung für den Herrn der Burg zu beschaffen, und führte Bren in ein Zimmer, von dem aus sie eine gute Aussicht auf das Silbertal hatten. Bren kannte es von seinem ersten Besuch.
»Also, wie steht es im Süden?«, fragte Gadior mit falscher Heiterkeit.
»Wir haben gesiegt«, murmelte Bren. »Aber warum bin ich hier?«
»Das frage ich mich, ehrlich gesagt, auch.«
»Jittara sagte mir, ich solle mich auf das konzentrieren, was ich suche.«
»Dann habt Ihr Euch wohl nach Eurer Feste gesehnt.« Gadior lachte unsicher. »Oder habt Ihr mich gesucht?«
Richtig, Bren hatte intensiv an Guardaja gedacht, bevor er hergekommen war. Jittaras Ritual entfaltete offensichtlich Wirkung, aber eine andere, als Bren vermutet hatte. Und auch anders, als Jittara selbst erwartet hatte. Er rief sich die flammenden Zauberzeichen ins Gedächtnis, und sofort spürte er ihre unnatürliche Wärme so deutlich, dass er sogar die Richtung bestimmen konnte. In etwa Südosten. Dort lag Akene.
Als es klopfte, öffnete Gadior und nahm der Magd einen Stapel Kleidung ab, die mit dem blauen Einhornwappen Guardajas versehen war. Sofort schickte er die Sterbliche weg, schloss sogar hinter ihr ab.
Hemd und Hose waren heller, als es Brens Gewohnheit entsprach, aber darauf kam es jetzt nicht an. »Seid Ihr nervös, Schattengraf?«
»Warum sollte ich nervös sein?«
»Die Kälte wird Euch kaum zittern lassen.«
Gadior fuhr mit gespreizten Fingern durch sein blondes Haar. »Der Krieg ist anstrengend. Er fordert Opfer.«
»Ja«, sagte Bren gedehnt, als er das Hemd über den Kopf zog. »Viele Gefallene. Und Gefangene.«
Kaum merklich zuckte Gadior.
»Ich frage mich, warum wir Fayé freigeben.«
Gadior wandte sich ab und sah aus dem Fenster.
»Das waren doch gefangene Feinde? Dort unten in dem Gang? Ein heimlicher Ort für einen Austausch, scheint mir.« Bren ging zu dem Teppich, der mit einer Wüstenlandschaft die Wand zierte. »Mondkinder sind faszinierend, nicht wahr? Man kann kaum ausschlagen, wenn sie einem angeboten werden, könnte ich mir denken.«
»Hört, Ihr kennt …«
Als Gadior sich umwandte, hob Bren beschwichtigend die Hand, bohrte aber den Blick in die Augen seines Gegenübers. »Mir ist klar, dass kein kluger Herrscher alles Wissen mit seinen sterblichen Untergebenen teilt. Die Ewigkeit ist eine lange Zeit, aber man will sie nicht damit vertun, Unwichtigen zu erklären, was sie nicht zu wissen brauchen. Ich verstehe, dass Ihr einen diskreten Weg gewählt habt, um die Kerker zu leeren.« Er ließ ein kaltes Lächeln aufsteigen. »Und Mondkinder sind nun einmal etwas ganz Besonderes.«
»Ich danke für Euer Verständnis.« Das Misstrauen stand unübersehbar auf Gadiors Gesicht.
»Immer gern, Schattengraf. Wer bin ich schon, dass ich mich erdreisten würde, von Verrat zu sprechen, weil einige Gefangene verschwinden?«
»Das wäre wirklich eine sehr unschöne Anschuldigung.« Gadiors Finger spreizten sich kaum merklich, seine Krallen glänzten im Kerzenschein. Durch die Jahrhunderte hatte er sicher genug Kraft angesammelt, um Bren zu besiegen, aber einen Osadro zu töten war ein Verbrechen gegen den Willen des S CHATTENKÖNIGS . Gadior musste ebenso überrascht von Brens Auftauchen sein wie dieser selbst, und er konnte nicht wissen, ob Jittara oder jemand anderes Brens Spur hierher würde verfolgen können. Er musste an einer anderen Lösung interessiert sein. Jedenfalls, solange Bren ihn nicht zu sehr in die Enge trieb.
Bren setzte sich lässig in einen Sessel, rückte diesen dann so zurecht, dass er nicht frontal zu Gadior stand, vorgeblich, um einen besseren Blick auf den Wandteppich zu haben. So wirkte er weniger bedrohlich. »Jeder von uns hat seine Geheimnisse«, seufzte er.
Gadior kam zu ihm. Der Graf legte die Hände auf die Rückenlehne des Sessels, so sanft, dass sie sie kaum berührten. »Was ist Eures?«
»Mir hängt eine Schwäche aus sterblichen Tagen an«, sagte Bren zögerlich. »Es ist unangenehm, darüber zu sprechen.«
»Die Erinnerung.«
»So sagt man wohl.«
Gadior schritt um den Sessel herum, lehnte sich neben dem Teppich an die Wand. »Wollt Ihr Euch mir anvertrauen?«
Bren beobachtete ihn genau. »Ihr wisst von meiner Geliebten,
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