Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
zerfiel ständig in einigen Bereichen, um in anderen aufzufächern. Bren spürte die Verwandtschaft zu seinem eigenen Wesen. Mit aller Willenskraft hielt er darauf zu, wie sich ein Erfrierender durch einen Schneesturm zu einer rettenden Höhle kämpfte.
Das Schwarz riss auf wie eine Nebelbank, in die eine Böe fuhr. Brens Sicht klärte sich.
Aber er sah nicht das Palastzimmer mit Jittara und seiner abgelegten Rüstung.
Er befand sich in einem spärlich erleuchteten Gang. Bren spürte Unregelmäßigkeiten im eingeebneten Steinboden unter seinen nackten Knien und Händen und roch das Erdreich, das jenseits der gewaltigen Quader sein musste, die hier die Wände und die Decke bildeten. Etwa zehn Schritt entfernt hielt eine hell gekleidete Gestalt eine Öllampe, deren Licht auf einen Mann fiel, dessen Armgelenke ihn unzweifelhaft als Fayé auswiesen. Als Bren aufstand und den leichten Schwindel wegzwinkerte, erkannte er in dem hell Gekleideten Gadior. Der Schattengraf sah ihn mit unverhohlenem Erstaunen an, als er Bren die Öllampe entgegenstreckte. Auf diese Weise geblendet, erkannte Bren die Gestalten, die jenseits von ihm und dem Fayé standen, nur undeutlich. Wenn er sich nicht täuschte, stand ein Kind bei Gadior, während sich ein paar Schritt entfernt Erwachsene versammelt hatten. Die freie Hand des Schattengrafen war erhoben – vielleicht hatte er dem Fayé Schweigen geboten. Jetzt nahm er sie langsam herunter. »Baronet Bren. Hättet Ihr Euch angekündigt, hätte ich Euch einen würdigeren Empfang in Eurer Festung bereitet.«
»In meiner Festung?«, stammelte Bren. »In Guardaja?«
»Ja, natürlich«, bestätigte Gadior so langsam, als spräche er mit einem begriffsstutzigen Schüler.
Bren fühlte den Fels unter den Fußsohlen, als er sich näherte. Wenn dies hier Guardaja war, und darauf deutete neben Gadiors Anwesenheit auch die Beschaffenheit des Gangs hin, dann hatte sich Bren viele Hundert Meilen bewegt. Das würde auch das unangenehme Gefühl von Silber erklären, er musste die Minen passiert haben. Aber wie konnte das sein?
»Ich bin also in Guardaja …«, murmelte er.
»Ist Euch nicht wohl, mein guter Bren?«, fragte Gadior.
Bren winkte ab. »Ich bin in Guardaja.«
»Da sind wir uns alle einig.«
»In einem der unterirdischen Gänge.«
Gadior überbrückte die letzten Schritte zwischen ihnen und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Was ist geschehen?« Besorgnis stand in seinen Augen. »Sind wir in Ilyjia besiegt? Seid Ihr geflohen?«
»Was?« Bren schüttelte den Kopf, um die letzten Nebel daraus zu verscheuchen. »Nein. Wir haben triumphiert und errichten auf den Trümmern von Akene die Ordnung des S CHATTENKÖNIGS . Siérce, dieses Kind, das sich Königin nennt, hat kapituliert. Aber ich sollte nicht hier sein. Ich sollte …«
Gadior schob seinen Arm um Brens Schultern, drehte ihn herum. »Gehen wir zurück in die Burg. Dort könnt Ihr mir alles in Ruhe berichten.«
»Gilt unser Handel, Schattenherr?«, rief der Fayé.
Unwillig wandte sich Gadior um. »Osadroi stehen zu ihren Schwüren.«
»Dann behaltet Ihr den Jungen und ich nehme die Meinen mit mir.«
Barsch nickte Gadior.
Bren musterte das Kind. Seine Augen waren weit aufgerissen. Offenbar hatte es solche Angst, dass es schon über das Schreien, Schlagen und Weglaufen hinaus war. Aber das Auffälligste an ihm war die helle Haut, beinahe wie die eines Osadro. Die Lippen waren farblos und das Haar kohlschwarz. Eindeutig ein Kind des dreifachen Neumonds, wie Jittara. Bren hatte gehört, dass Gadior mehr noch als andere Osadroi nach Kindern wie diesem Jungen gierte. Man sagte, sie blickten tief in andere Wirklichkeiten. Bei Jittara hatte Bren das bestätigt gefunden.
Als Gadior ihn mit sanfter Gewalt vorwärtsschob, erhaschte Bren noch einen Blick auf die Gruppe Erwachsener, die sich nun in die andere Richtung entfernte. Die Form der Schädel und die beiden Gelenke in jedem Arm verrieten, dass sie Fayé waren, ein halbes Dutzend etwa. Ihre Bewegungen ließen die Eleganz vermissen, die sonst ihrem Volk zu eigen war, und die Rücken der meisten waren gebeugt.
»Kannst du die Öllampe halten, Enog?«, fragte Gadior den Jungen.
Der sah ihn nur stumm an.
Gadior seufzte. »Heute ist alles schwierig.«
Bren spürte die finstere Kraft, die von Gadior ausging, als er in den Verstand des Jungen griff. Als zöge jemand an Fäden, die an den Gelenken des Knaben befestigt waren, hob Enog eine Hand und nahm die Öllampe entgegen. Die
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