Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
nicht gerade diese Hingabe verdächtig? Stand Jittara am Ende doch auf Lisannes Seite, hatte den Auftrag, Bren in Sicherheit zu wiegen, auf dass er umso tiefer fiele? Und auch bei ihr war die entscheidende Frage: Was wusste sie von Kiretta?
Es war besser, vorsichtig zu sein. »Ich denke, es wäre nützlich, den Feind auszuspähen«, sagte er.
Sie nickte. Im Gegensatz zu ihm, der nackt im Kreis der magischen Runen stand, die Seelenbrecher sorgfältig mit Knochenasche ausgestreut hatten, war sie mit einem Ornat angetan, das besser zu dem Palast passte, den sie für ihre Zusammenkunft ausgewählt hatten. Bren selbst war, Lisannes Vorschlag folgend, zu Beginn der Nacht in die Ritterhalle umgezogen und hatte sich direkt zu Jittara begeben, als er sicher gewesen war, alles Nötige veranlasst zu haben.
Ihre helle Haut wurde nur von dem polierten Kinderschädel auf ihrem Zeremonienstab überstrahlt. Er glänzte im Flimmern der Essenz, die sich silbrig in den Kristallen regte, die jenseits des Zirkels aufgestellt waren. Für das anstehende Ritual wurde Lebenskraft verwendet, die Kleriker in den Tempeln des Kults geerntet hatten.
»Eure Fähigkeit ist ungewöhnlich, wir haben das bereits besprochen. Ich habe aber Aufzeichnungen von ähnlichen Fällen studiert. Das sollte uns weiterhelfen.«
»Gut.« Wenn der Zauber gelänge, würde Bren später versuchen, ihn allein zu wiederholen, um Kiretta zu finden. Hoffentlich würde ihn diese Nacht nicht zu sehr schwächen. Je mehr Zeit verstriche, ehe er die Kraft für sein eigentliches Ziel fände, desto weiter könnte Nalaji Kiretta fortschaffen. Eine Frau mit ihren Fähigkeiten fände eher früher als später einen Weg aus der Stadt.
»Wenn Ihr bereit seid, wäre es angebracht, nun in die Nebelform zu wechseln, Herr.«
Das fiel ihm inzwischen leicht. Er schloss die Augen, konnte aber dennoch bald wieder sehen, als sich die Lider in grauem Wallen auflösten. Er sah Jittara nun anders als zuvor, mit weniger Einzelheiten, jedoch umfassender, als betrachte er sie flüchtig, aber von mehreren Positionen gleichzeitig. Das war viel fortgeschrittener als die Wahrnehmung damals in den Wetterbergen, wo er sich noch von den Strömen der Magie hatte blenden lassen. Er hörte auch ihre Stimme, die Worte aus einer Sprache intonierte, die er zu seinem Ärger nicht verstand. Das bedeutete, dass er sie auch nicht allein würde nachsprechen können. Er spürte aber, was sie bewirkten. Die Zauberrunen erwärmten sich, erhoben sich in der Welt des Greifbaren, um sich in der Wirklichkeit des Magischen am Astralgitter auszurichten. Er beobachtete ihren Tanz und verlor sich für einen Moment in der Ästhetik, mit der sie sich auf das magische Muster legten, das Jittara gewoben hatte. Zweifellos war sie eine Meisterin in diesen Dingen. Was sie tat, war eine Leugnung der Natur, eine Beleidigung aller Götter. Es schöpfte seine Kraft aus der tiefsten Finsternis. In dieser Hinsicht hatte Jittara Vollkommenheit gefunden.
Obwohl Grausamkeit und Menschenverachtung aus dem gierigen Pulsieren der Zauberzeichen sprach, die Bren wie flammende Leuchtfeuer erschienen, hatte es eine fremdartige Schönheit. Eine Schönheit, in der Wahnsinn lauerte.
Er löste sich von der Faszination einer Wirklichkeit, für die sein Verstand noch nicht bereit war, und zwang seine Aufmerksamkeit zurück in die greifbare Welt.
Die starke Magie des Zauberkreises überlagerte alles, aber einige Dinge erkannte er trotzdem. Jittara war zu einem Teil in der mystischen Wirklichkeit präsent, wo sie ihren Ritus an die Wechsel in den Astralströmen anpasste, deswegen sah er sie zuerst. Dann erkannte er seinen Schuppenpanzer, ein sehr viel kunstvoller gearbeitetes Stück als jenes, das er als Sterblicher getragen hatte. Daneben lehnte der Kampfschild mit dem blauen Einhorn, den Reißzahn kampflustig entblößt. Das Wappen Guardajas, der Festung, die Bren anvertraut war.
Bren hatte auf dem Weg zu dem Treffen mit Jittara wieder eine Rüstung getragen. Jeder in Akene wusste, dass die gefangenen Paladine in der letzten Nacht entkommen waren, deswegen gab es Unruhen in der Stadt. Die Razzor schlugen sie nieder, aber dennoch fühlten sich die Ondrier wohler, wenn ihre Schattenherren sich schützten.
War das Silber, mit dem die entkommenen Paladine fochten, aus Guardaja gekommen? Seit drei Jahrzehnten wurde das Erz nicht mehr gefördert, aber über die anderen großen Minen hatten sich die Schatten noch früher gesenkt. Wahrscheinlich waren
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