Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
Kiretta?«
»Ja. Tragisch. Aber Ihr habt Lisanne gereizt, das müsst Ihr zugeben. In einigen Jahren werdet Ihr es vielleicht so sehen können, dass Eure Liebe in den Tod ging, um Euch das Tor zur Ewigkeit zu öffnen. Hättet Ihr Helion nicht erschlagen, würde sie noch leben, aber Ihr wärt keiner von uns.«
Gadiors Mitleidsmiene war geheuchelt, aber an die Ereignisse, die er schilderte, schien er zu glauben. Bren machte noch einen Versuch: »Ich fühle, wie mein Herz in der Kammer der Unterwerfung verkrampft, wenn ich daran denke, dass sie tot ist.«
»Ich verstehe Euch, Bren, ich verstehe Euch gut. Jeder von uns hat ähnliche Verluste zu beklagen. Das ist ein Schicksal, dem Unsterbliche nicht ausweichen können. Selbst wenn Kiretta überlebt hätte, wäre sie gealtert und irgendwann gestorben. Lisanne hat Euren Abschied nur einige Jahrzehnte vorgezogen.«
Er schien tatsächlich nicht zu wissen, dass Kiretta noch lebte. Oder zumindest in den Wetterbergen noch gelebt hatte, vielleicht war sie in den Gefechten um Akene … Nein! Daran wollte Bren nicht denken.
Wenn Gadior unbekannt war, dass Kiretta noch lebte, hatte er auch nichts mit ihrer Rettung zu tun. Ganz zu schweigen davon, dass er Informationen über ihren momentanen Aufenthaltsort hätte. Hier würde Bren nichts Neues erfahren.
»Ihr sprecht überraschend freundlich von Lisanne, dafür, dass Ihr Euch Widaja zugewandt habt.«
Gadior zuckte mit den Schultern. »Ich helfe Euch nur, Euren Schmerz zu verstehen. Sie ist eine Osadra, Ihr seid ein Osadro. Wir sind ewig. Alles andere vergeht. Auch die Erinnerung wird zurückbleiben.« In der Rolle des Lehrmeisters gewann Gadior seine Sicherheit zurück.
»Ich hoffe, Eure Erfahrung behält recht.«
»Das wird sie.« Gadior setzte an, zu ihm zu kommen, vielleicht, um ihm die Hände auf die Schultern zu legen, entschied sich dann aber doch dafür, an der Wand stehen zu bleiben. »Ich sehe die Stärke in Euch, Bren. Ihr werdet die Schwäche Eurer sterblichen Tage hinter Euch lassen. Ihr seid ein Krieger, durch und durch. Das habe ich auf unserer Reise hinter den Seelennebel erkannt.«
»Wo Ihr vom Krieg sprecht«, sagte Bren, um das Thema von Kiretta abzulenken, »wie habt Ihr Guardaja genommen?«
Er wollte verhindern, dass Gadior zu viel über Kiretta nachdachte. Da er nichts wusste, war es am besten, wenn das auch so bliebe. So hörte Bren zu, während Gadior von den Ghoulen erzählte, die sich in die unterirdischen Gänge gegraben hatten, und von den Verrätern, die Gadior unter den Sterblichen gekauft hatte. Seinerseits berichtete er von dem Feldzug gegen Ilyjia.
Doch seine Unruhe nahm während des Gesprächs beständig zu. Immer wieder spürte er dem mystischen Leuchtfeuer der Zauberrunen nach, die in Akene auf ihn warteten. Er war hierhergekommen, wie er inzwischen vermutete, weil er während des Rituals so fest an Guardaja gedacht hatte. Doch würde er auch wieder zurückfinden? Wie lange würden die Zauberrunen ihre Wirkung tun? Was, wenn sie plötzlich verloschen? Unmöglich konnte er wochenlang auf sterblichen Wegen zurückreisen, um dann Nalajis und Kirettas Spur wieder aufzunehmen. Er musste das gleiche Ritual nochmals durchführen und dabei nach Kiretta suchen. Hoffentlich erstreckte sich seine merkwürdige Fähigkeit auch auf das Auffinden von Personen, nicht nur auf Orte. Wie immer es sich verhalten mochte – Jittara war diejenige, die ihm am ehesten würde helfen können, und Akene der Ort, an dem er die Suche aufnehmen musste.
Schließlich verkündete Bren seinen Aufbruch.
»Sehr bedauerlich, dass Ihr mich schon wieder verlassen wollt«, behauptete Gadior, ohne sich die Mühe zu geben, seine Beteuerung glaubhaft klingen zu lassen. Er war so froh, Bren wieder loszuwerden, dass er nicht einmal danach fragte, wie genau er überhaupt hergekommen war. Ihm war anzusehen, dass er sich darauf freute, die restlichen Stunden der Nacht mit seinem neuen Mondkind zu verbringen.
Bren legte die helle Kleidung ab und wechselte in die Nebelform, wobei er vor seinem geistigen Auge den Palast in Akene beschwor. Er hatte befürchtet, dass ihm die Rückkehr schwerfallen würde, aber diese Bedenken erwiesen sich als unbegründet. Sofort umfing ihn tiefste Schwärze, in der er das Leuchtfeuer der Zauberzeichen mühelos ausfindig machte. Der Beginn seiner Rückreise war von Silberschmerz begleitet, aber dann ging es noch schneller als auf dem Hinweg. Ehe er sich darauf eingestellt hatte, lag er nackt und
Weitere Kostenlose Bücher