Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!
Partners aus der Schusslinie zu ziehen. Sie ist die Letzte, die stirbt.
Die Musik bricht abrupt ab.
Der Bildschirm wird schwarz.
Erst jetzt bemerkte Esme ein Schluchzen, und dann wurde ihr klar, dass es ihr eigenes war.
Um die Mittagszeit machte Esme eine Pause, um ihre Nachbarin Holly McKinley anzurufen. Holly hatte doch sicher daran gedacht, Sophie von der Schule abzuholen, nicht wahr? Sie drehte die Fotos vom Tatort in Amarillo auf den Rücken und wartete, bis Holly nach dem dritten Klingeln abhob.
„Nun, wenn das mal nicht meine Lieblingskommissarin ist“, säuselte Holly, wahrscheinlich zwischen zwei Schlucken Evian. „Wie läuft es da unten im Lone Star State?“
„Ganz gut. Und wie ist das Wetter bei euch? Ich habe gehört, dass es schneien soll.“
Nachdem sie ein paar Minuten lang geplaudert hatten, bat Esme schließlich, mit ihrer Tochter sprechen zu können.
Holly zögerte. „Oh … sie kann gerade nicht ans Telefon kommen …“
Esme schluckte schwer. „Wieso nicht?“ Sofort überfluteten sie Bilder von Sophie, die auf der Treppe vor der Schule saß. Sophie, in Tränen aufgelöst. Sophie, ganz allein.
„Nun, Esme, ich will ehrlich sein: Sie ist von Kopf bis Fuß mit grüner Farbe beschmiert.“
„Wie bitte?“
„Oh, keine Sorge, ist nur Fingerfarbe. Sie macht dir eine Karte. Wie sich herausstellte, hatte ich noch Fingerfarbe und Bastelpapier im Schrank aus der Zeit, als Meredith so alt wie sie war. Tja. Aber mach dir keine Gedanken. Ich sorge dafür, dass sie die Farbe nicht aufisst.“
„Holly, kannst du vielleicht mal auf Lautsprecher schalten?“
„Lautsprecherfunktion? Was für eine gute Idee. Kein Wunder, dass du so gefragt bist! Eine Sekunde.“
Während Esme wartete, wurde an die Tür des Konferenzzimmers geklopft. Es war Tom. „Ich habe das aktualisierte Täterprofil. Dachte, du willst vielleicht einen kurzen Blick drauf werfen.“
„Sicher, aber nur einen kurzen Blick. Ich bin noch minderjährig.“
„Wer ist minderjährig?“, trällerte Holly aus Tausenden Kilometern Entfernung. „Esme, du machst doch nichts Unanständiges, oder?“
Tom wollte gehen, doch Esme gab ihm ein Zeichen, zu bleiben.
„Holly, hast du auf Lautsprecher gestellt?“
„Hi, Mommy“, rief Sophie.
Esmes Gesicht leuchtete auf. „Hi, Baby! Ich habe gehört, dass du mir eine Karte machst.“
„Ich habe den Staat Texas in grüner Farbe gemalt.“
„Warum grün?“
„Weil das deine Lieblingsfarbe ist.“
Was für ein Schatz! Sie betrachtete Tom, der noch immer in der Tür stand. „Ich vermisse dich, Baby. Das weißt du, oder?“
„Klar, Mommy“, antwortete Sophie. Sie klang so fröhlich. „Was gibt’s zum Abendessen?“
„Kommt ganz auf deinen Vater an.“ Ihr kam eine Idee. „Sag ihm, dass ich gesagt habe, er soll dir Makkaroni mit Käse machen.“
Sehr gut. Rafe hasste den Sahnegeschmack, die klebrige Konsistenz und vor allem den Käsegeruch, der tagelang im Haus hing. Das würde ihm eine Lehre sein. Wenn er sich wie ein Blödmann aufführen wollte, dann musste er sich eben mit Makkaroni und Käse rumschlagen.
Esme sagte ihrer Tochter, wie sehr sie sie liebte, hauchte einen Kuss in den Hörer und legte auf.
„Makkaroni mit Käse, hm?“ Tom grinste. „Ich glaube, das habe ich mal einen Sommer lang jeden Tag gegessen. Da war ich sechs.“
Sie setzten sich an den Tisch. Esme sah sich das Profil an, das Norm getippt hatte. Es dauerte nicht lange.
„Die Karte müsste bald aus dem Labor zurückkommen.“ Tom bezog sich auf die Genesungskarte, die Galileo auf Darcys Leiche gelegt hatte. Esme kannte die Nachricht bereits: „Schau nie direkt in einen Pistolenlauf.“
„Fingerabdrücke?“
Tom schüttelte den Kopf. „Ziemlich unwahrscheinlich.“ Der Mörder war zu vorsichtig.
„Handschriftanalyse?“
„Also, seine i-Punkte beweisen, dass er von seiner Mutter missbraucht wurde.“
„Wirklich?“
„Nein.“
Esme musterte die Fotos vom Tatort. „Er ist ein Ungläubiger auf dem Kreuzzug. Allein diese Ironie macht mich fertig.“
„Mmmhmm.“
„Er ist sauer auf religiöse Menschen, aber sein Ziel sind nicht etwa Pastoren oder Priester. Sein Ziel sind öffentlich Bedienstete. Er macht den Staat für die Religion verantwortlich. Die Polizisten und Feuerwehrleute waren nur der Anfang. Himmel, Tom, wir haben ein Wahljahr! Das ist kein Zufall. Wir müssen die Wahlkampfteams benachrichtigen.“
„Wenn heute Abend alles gut läuft“, entgegnete Tom, „brauchen
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