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Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Titel: Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Corin
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Gesicht auf dem Papier aus wie das von, nun, von Robert Redford. Redford aus dem Jahr 1972. Redford als „Jeremiah Johnson“, was einer der besseren Western in der Videosammlung ihres Vaters war.
    Lilly blätterte um.
    Die nächste Seite war leer.
    Sie blätterte weiter. Auch leer.
    Sie schaute die ganze Akte durch. Leer, leer, leer, leer, leer, leer.
    „Was zum …?“
    Die Tür öffnete sich. Ein Polizist mittleren Alters spazierte herein, bis auf die dunklen langen Koteletten war er vollkommen kahl.
    „Hi.“ Er streckte ihr die Hand hin. „Ich bin Ray Milton.“
    Lilly ließ die Akte fallen. Hunderte leere Blätter flatterten auf den harten grauen Boden.
    Officer Milton betrachtete traurig das Durcheinander. Dann sah er Lilly wieder mit seinem stählernen Blick an.
    „Es war bei dem Gedenkgottesdienst“, fing er dann an. „Als ich nach Hause kam, ist mir aufgefallen, dass meine Dienstmarke weg ist. Ich habe es nicht gemeldet. Was wirklich ein Fehler war, und dafür werde ich auch gebührend bestraft werden. Im Moment sind alle ziemlich aufgebracht, und ich werde die Verantwortung übernehmen.“
    Lilly wischte sich über die feuchte Stirn. Wurde es hier drin wärmer? „Ich habe nichts falsch gemacht.“
    „Ich weiß.“
    Er beugte sich nach unten, was ihm einige Mühe bereitete, und hob die Blätter auf. Nach kurzem Zögern begann Lilly ihm zu helfen.
    „Niemand macht absichtlich Fehler“, sprach er weiter. „Ich habe eine reine Weste. Ich bin ein guter Cop. Vor einiger Zeit wurde ich verletzt – war wirklich eine dumme Sache –, und jetzt sitze ich die meiste Zeit hinter meinem Schreibtisch. Aber auch im Büro müssen eine Menge wichtige Dinge erledigt werden. Ich mag meinen Job.“
    Sie legten die Blätter auf den Tisch. Officer Milton ordnete den Stapel und schob ihn dann wieder in die Aktenmappe.
    „Meine Dienstmarke war weg, und das hätte ich melden müssen. Man nennt das wohl Überheblichkeit. Doch ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, warum er sie ausgerechnet mir gestohlen hat. Es waren Hunderte Polizisten bei dem Gedenkgottesdienst. Wieso hat er mich ausgewählt? Und was das betrifft, wieso Sie? Dort waren auch Hunderte Journalisten. Sie und ich – wir sitzen im selben Boot, Miss Toro.“
    Officer Milton setzte sich laut seufzend hin. Lilly nahm neben ihm Platz.
    Er hob die Zeichnung hoch, kicherte kurz, legte sie dann wieder hin.
    „Es war mein Ego“, sagte sie schließlich.
    „Was?“
    „Als er mich ansprach“, fuhr Lilly fort. „Als ich von all den Leuten mit einem Mal diejenige war mit den Insiderinformationen … Ich dachte, ihm würde mein Aussehen gefallen. Und ich war plötzlich dabei! Ich arbeitete mit Tom Piper bei der Jagd nach einem Serienkiller zusammen! Ich habe das überprüft, übrigens. Ich habe im Revier angerufen. Ich habe denen Ihre Dienstnummer genannt. ‚Ja, Ma’am, Ray Milton ist Polizist hier. Sollen wir Sie mit ihm verbinden?‘ Ich habe nichts falsch gemacht.“
    „Ich auch nicht“, entgegnete Ray Milton. „Und doch sitzen wir jetzt hier.“
    „Was werden sie mit Ihnen anstellen?“
    Der Polizist zuckte mit den Schultern. „Was auch immer es ist, ich werde es akzeptieren. Meine Familie? Wird es auch akzeptieren. Haben Sie Familie?“
    „Ja.“
    „Stehen Sie sich nahe?“
    Lilly zögerte. „Nein.“
    „Das ist schade. Ich weiß nicht, was ich ohne meine Familie tun würde. Aber jedem das Seine, schätze ich, oder?“
    Lilly nickte und sah weg.
    „Tatsache ist, Miss Toro, dass man uns nicht wegen eines Verbrechens drankriegen kann. Wir haben keine Gesetze gebrochen. Dummheit ist kein Verbrechen. Aber sie können einem trotzdem ganz schön die Hölle heißmachen. Lassen Ihnen eine leere Akte da, nur um Sie zu ärgern. Die können einen ganz verrückt machen. Und mir ist klar, dass ich im April vor einer Prüfungskommission aussagen muss.“
    „Das ist nicht fair.“ Dieses Mal sprach sie ruhiger. „Ich habe nichts falsch gemacht.“ Ihre Worte klangen leer, so leer wie … nun, wie ein unbeschriebenes Blatt Papier.
    Officer Milton drückte sich hoch. Wieder streckte er ihr die Hand hin.
    „Wie auch immer, ich wollte mich Ihnen nur vorstellen.“
    Diesmal ergriff sie seine Hand. Der Polizist nickte ihr zu und verließ den Raum.
    Die Zeit verging.
    Lester Stuart bildete sich was darauf ein, bei Reisen nur einen Koffer zu brauchen, und als sein Sohn Rafe ihn anrief, wühlte er den alten blauen aus dem Schrank hervor, legte ihn auf sein

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