Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Titel: Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Corin
Vom Netzwerk:
Zeit die Post.
    Wegen Überanstrengung war sie gerade erst schmerzhaft auf dem Boden gelandet – deswegen bewegte sie sich jetzt zentimeterweise zur Haustür. Ihre Füße waren nackt, ihr Pyjama schweißnass, und das Korsett ließ sie aussehen, als ob sie vor Kurzem von einem Pamplona-Bullen aufgespießt worden wäre, aber was für eine Rolle spielte das schon? Und wenn irgendwelche Nachbarn sie so sahen? Die wussten doch alle, was unten in Amarillo geschehen war. Das ganze Land wusste, was in Amarillo geschehen war. In den ersten Wochen hatten die Journalisten versucht, eine große Story daraus zu machen, doch dann war ein Hollywood-Starlett in flagranti mit einem Quarterback von der UCLA erwischt worden, was viel, viel spannender und interessanter war.
    „Waterloo“ blendete in „Take a Chance on Me“ über – ein Song, der sogar noch fröhlicher und dynamischer war. Am liebsten hätte Esme ihren iPod getätschelt. Stattdessen zog sie die Haustür auf. Es war ein kühler, wolkiger Tag, perfekt für ein kleines Schläfchen … aber egal. Die Post wartete. Ein Fuß vor den anderen …
    Die Vordertreppe war aus Zement. Kaltem Zement. Esme fühlte, wie ihr ein Schauer über den Rücken fuhr, was bedeutete, dass ihre Nerven langsam wieder ihre Arbeit aufnahmen. Fantastisch. Sie ließ die Tür offen und tapste die Stufen hinunter auf den Rasen. Die Bandscheiben kribbelten bei jedem Schritt. Sie versuchte sich im Takt zu ABBA zu bewegen, doch der Rhythmus war zu schnell, das schaffte sie nicht. Dann eben nicht.
    Der Briefkasten war wenige Meter entfernt. Esme konzentrierte sich auf jeden Schritt. Ein später Winterwind fuhr durch ihren Baumwollpyjama. Sie hätte einen Mantel anziehen sollen. Auch egal. Die Post wartete. Ein Fuß nach dem anderen …
    Vielleicht hatte Rafe recht.
    Moment mal – wie kam sie denn darauf? Vielleicht hatte Rafe recht? Recht weswegen? Esme blieb stehen, aus dem unbewussten Gedanken kristallisierte sich eine Erkenntnis. Rafe war vor ihrer Abreise nach Amarillo wütend gewesen, er hatte sich aufgeführt wie eine echte Nervensäge. Aber hinterher hatte er nicht ein Mal gesagt: „Hab ich’s nicht gewusst?“ Jedenfalls nicht ihr gegenüber.
    Vielleicht hatte er die ganze Zeit recht gehabt. Vielleicht hätte sie niemals nach Amarillo fliegen dürfen. Vielleicht war ihr Platz hier, und das war nun die Strafe dafür, dass sie ihre Vergangenheit nicht hinter sich gelassen hatte. Immerhin war sie gerade eben erst wieder hingefallen, weil ihre Neugier sie an den Computer getrieben hatte. Das Universum wollte ihr etwas sagen, und sie musste endlich hinhören.
    Davon abgesehen, entschied Esme, war ihre Theorie über Galileo sowieso an den Haaren herbeigezogen. Womöglich mochte der Mörder einfach nur Städte, die mit A anfingen. Kein Wunder, dass Tom sie nicht zurückrief. Am besten wäre es, die ganze Sache einfach hinter sich zu lassen. Die Last von ihren Schultern zu schütteln. Sie brauchte das alles nicht mehr. Vorsichtig ging sie weiter, während das perlende Klavier von „Dancing Queen“ ihr das Gefühl gab, sauber gewaschen zu werden.
    Trotz der eisigen Kälte war sie in Schweiß gebadet, als sie den Briefkasten erreichte. Aber auch das spielte keine Rolle. Es war Zeit für ihre Belohnung. Quietschend öffnete sie den Deckel und fand …
    … einen Brief. Das war’s. Ein schäbiger Brief. Sollte besser was Interessantes sein. Am besten von Showmaster Ed McMahon, der ihr mitteilte, was sie gewonnen hatte … Doch nein, es war ein Brief von Amy Lieb. Eine Einladung zu einer Veranstaltung nächsten Monat, bei der Spenden für ihr Idol Bob Kellerman gesammelt werden sollten. Esme überlegte, wie wahrscheinlich es für sie war, daran teilnehmen zu können. Da würde wohl eher die Hölle zufrieren.
    Moment.
    Sie las die Einladung noch einmal, vor allem das Kleingedruckte, und da stand es, ganz unten: „Unterstützt von der Liga der Wählerinnen, den Töchtern der Amerikanischen Revolution, der Demokratischen Partei Long Islands und der Unity for a Better Tomorrow.“
    Wie in Atlanta und Amarillo.
    Sie ignorierte ihre Schmerzen und ging so schnell wie möglich ins Haus zurück. Hoffentlich war ihr Handy voll aufgeladen, denn sie hatte eine Menge Anrufe zu erledigen.

15. KAPITEL
    „Also, was wissen wir?“, fragte Tom.
    „Nicht viel.“ Norm manövrierte sie in einem Leihwagen, einem weißen Geo Minivan, durch die breiten Straßen von Omaha in Nebraska. Laut dem Navigationssystem waren sie

Weitere Kostenlose Bücher