Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Titel: Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Corin
Vom Netzwerk:
sie in den Rückspiegel. Fünf Meter hinter ihr war ein blauer Ford Sedan, und sie hätte schwören können, dass sie ihn schon gesehen hatte, als sie in Berkeley vom Parkplatz gefahren war. Da hatte sie sich noch nichts dabei gedacht. Auf dem Campus in Berkeley war immer viel los. Aber jetzt war sie schon fast in San Francisco, und …
    Nein. Das war doch albern. Sie befand sich praktisch im Feierabendverkehr. Und sie war ja wohl nicht der einzige Mensch, der in San Francisco wohnte, oder? Bei dem Fahrer in dem blauen Sedan handelte es sich wahrscheinlich um einen Professor. Bestimmt wohnte er mit seiner Frau und zweieinhalb Kindern in Pacific Heights. Und bestimmt war er bei der Wahlveranstaltung gewesen. Na und? Reg dich ab, Mädchen!
    Nur um sicher zu sein und auch noch die letzten Zweifel auszuräumen, stellte sie den Rückspiegel so ein, dass sie einen guten Blick auf den Fahrer werfen konnte. Sie bewegte sich mit fünf Meilen pro Stunde über die acht Meilen lange Bay Bridge, und die Sonne kam von vorn und nicht von hinten, somit war es leicht, den Typ hinterm Steuer zu sehen. Hinter dem Lenkrad des blauen Ford Sedan saß Galileo.
    Und er winkte ihr zu.
    Lilly sank ein paar Zentimeter in ihrem Sitz zusammen und umklammerte das Lenkrad, als wäre es ihr einziger Freund auf der Welt. Sie dachte über ihre wenigen Möglichkeiten nach. Mitten auf der Bay Bridge gab es Abfahrten, die nach Yerba Buena oder Treasure Islands führten. Von diesen Abfahrten war sie nicht weit entfernt. Wenn sie die Brücke in Richtung einer der Inseln verließ … dann würde er ihr folgen, und sie säße mit einem Massenmörder auf einer Insel fest. Keine gute Idee.
    Also musste sie auf der Brücke bleiben und bis West Bay und San Francisco fahren. Selbst die Einwohner verfuhren sich regelmäßig in San Franciscos hügeligen, labyrinthartigen Straßen. Und Galileo wohnte nicht in San Francisco – soweit sie wusste. Falls er dumm genug war, ihr bis nach Chinatown zu folgen, das Labyrinth der Labyrinthe, dann konnte sie ihn abhängen, dessen war sie sich sicher. Sie musste nur den Kopf einziehen. Dieser Mann würde bestimmt ungeduldig werden und sie vom Sitz seines Wagens aus erschießen. Sie musste also nur den Kopf einziehen … und ein paar Anrufe erledigen.
    Der Erste: Tom Piper.
    Seine Mailbox ging ran.
    „Tom“, krächzte sie, gierig nach einer Zigarette, „hier ist noch mal Lilly. Ich bin auf der Bay Bridge in San Francisco, und er fährt direkt hinter mir. Er wird mich umbringen, Tom, aber ich glaube, ich kann ihn in Chinatown abhängen. Bitte seien Sie ein Schatz und informieren Sie in der Zwischenzeit jeden einzelnen verdammten Agenten, den Sie haben, und schicken Sie sie verflucht noch mal sofort zu mir! Ich fahre einen pinkfarbenen VW Käfer. Er sitzt in so einem scheißblauen viertürigen Ford. Kennzeichen … ähm …“ Sie hob kurz den Kopf. „JG3-94Q. Ich bin in höchster Gefahr. Rufen Sie mich an.“
    Nächster Anruf: 911.
    „911“, meldete eine leicht asiatisch klingende Frau. „Um was für eine Art von Notfall handelt es sich?“
    Lilly erläuterte ihre Situation. Wie es hieß, würden „so schnell wie möglich Streifenwagen in ihre Richtung geschickt“, und sie solle „ruhig bleiben“. Wie konnte sie bitte schön ruhig bleiben? Wie konnte irgendjemand bei einem Notfall ruhig bleiben? Es war nur natürlich, durchzudrehen. Die Evolution hatte den menschlichen Körper auf das Überleben programmiert, und Adrenalin spielte dabei keine unerhebliche Rolle. Ihre Panikattacken – und wie sie bemerkte, hatte sie im Moment keine – waren ebenso falsch, wie in dieser Situation „ruhig“ zu bleiben.
    Der Verkehrsstrom hatte sie schließlich über die Brücke geschoben. Die erste Abfahrt – Fremont Street – musste sie nehmen. Sie setzte keinen Blinker. Es gab schließlich keinen Grund, Galileo vorher schon einen Hinweis zu geben, richtig? Fremont Street führte in das Financial District, das Mekka der Hochhäuser und Großfirmen. Lilly fuhr am Hauptsitz von VISA und The Gap vorbei. Sie blieb zusammengekauert auf ihrem Sitz – was bei ihrer geringen Größe kein Problem war – und wagte einen weiteren Blick in den Rückspiegel. Galileo blieb konstant fünf Meter hinter ihr.
    Sie bog auf die Pine Street und dann nördlich auf die Kearny Street, und langsam verwandelte sich das schicke Kalifornien in ein geschäftiges chinesisches Stadtzentrum. Gekachelte Vordächer erstreckten sich in die Straßen. Aus eckigen

Weitere Kostenlose Bücher