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Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Titel: Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Corin
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Sie können das unmöglich ernst meinen.“
    „Ich meine das sogar sehr ernst. Das Mindeste, was Sie tun könnten, Amy, ist, die ‚Unity for a Better Tomorrow‘ von der Sponsorenliste zu streichen.“
    „Nur damit ich Sie richtig verstehe: Der Grund dafür ist, dass dieser Serienmörder in den Städten sein Unwesen treibt, in denen …“
    „Ja.“
    „Esme, Liebste, haben Sie heute schon etwas gegessen?“
    Esme blinzelte. „Wie bitte?“
    „Ich könnte Ihnen einen Auflauf vorbeibringen! Ich lasse Lupe irgendwas zaubern, sie macht die großartigsten Nudelgerichte. Was halten Sie von Fisch?“
    Esme biss die Zähne zusammen. Sie lag auf dem Sofa, Eispäckchen auf beiden Seiten ihrer langsam heilenden Unterleibswunde. Trotzdem hatte sie Schmerzen, denn selbst Eisberge und Tylenol oder sogar Percocet konnten die Seelenqualen nicht lindern, die es einem bereitete, mit einer Wand zu sprechen.
    „Amy, hören Sie zu! Selbst wenn Sie denken, dass ich mich irre, selbst wenn es unbequem ist, würden Sie sich nicht lieber irren, als so etwas zu riskieren? Galileo läuft immer noch da draußen herum.“
    „Ach Liebste, das weiß ich doch! Haben Sie einen Stift zur Hand? Ich war früher bei diesem Seelenklempner Dr. Fleishman, damals, als ich eine Affäre mit meinem Gärtner hatte, und er hat bezüglich meinem posttraumatischem Stress wirklich Wunder gewirkt. Er ist ein zertifizierter Fachmann.“
    Esme hatte tatsächlich einen Stift in der Hand, mit dem sie eine wenig schmeichelhafte Karikatur von Amy Lieb auf den Rücken eines Sudoku-Hefts malte. Wie konnte ein Mensch nur so vorsätzlich bescheuert sein? Stimmte das Klischee also wirklich? Kam das Leben in der Vorstadt einer Lobotomie gleich?
    „Wie auch immer, ich muss leider auflegen, der Partyservice ruft auf der anderen Leitung an. Versuchen Sie bloß nie, Hummercremesuppe im April zu bestellen. Ciao!“
    Ciao.
    Bevor sie mit der nächsten Person auf ihrer Liste fortfuhr – dem Bürgermeister –, brauchte Esme ein paar Minuten, um sich wieder abzuregen. Es wäre sicher nicht vorteilhaft, ihre Wut auf Amy Lieb an Bürgermeister Connors auszulassen. Sie kannte den Bürgermeister ein bisschen, hatte ihn ab und zu bei Benefizveranstaltungen der Universität gesehen. Er glotzte einem immer aufs Dekolleté, doch ihm schien das Wohlergehen seiner Kommune wirklich am Herzen zu liegen. Also würde sie an sein Pflichtgefühl appellieren – aber vorher musste sie sich vom Fernsehprogramm etwas betäuben lassen. Wenn nur Tom Piper endlich zurückrufen würde! Dann hätte sie nicht länger das Gefühl, diesen Kampf ganz allein auszutragen.
    Sie drückte auf die Fernbedienung und hörte zu, wie die Fernsehmoderatoren von Fox über Öl quasselten, und kaum eine Minute war vergangen, als im News-Ticker am unteren Rand des Bildschirms folgende Worte erschienen: „In Galileo-Fall verstrickte Journalistin in der Nähe ihrer Wohnung tot aufgefunden“.
    Für Tom Piper war die optimale Dialektik nicht Angst und Verlangen, sondern Gewinnen und Verlieren, und er wusste genau, in welche Richtung der Fall gerade tendierte. Was Assistant Director Trumbull nicht daran hinderte, ihn daran zu erinnern. Sie und noch einige andere Höhergestellte führten gerade ein Konferenzgespräch.
    „Es ist eine Schande!“ Trumbull hustete eine Minute lang. Es war ein offenes Geheimnis, dass der alte Mann Lungenkrebs hatte, aber wenn ein Angestellter des amerikanischen Staates in Ausübung seines Amtes sterben wollte, dann sollte es eben so sein. Alle Teilnehmer der Konferenzschaltung warteten geduldig, bis Trumbulls Bronchialanfall vorüber war. Tom nutzte die Zeit, um sich die müden Augen zu reiben. Er war in einem Sicherheitsraum hinter verschlossenen Türen in Eppley Airfield, dem historischen Flughafen für Omaha und Umgebung. In den meisten Räumen dieser Art – dort wurden fragwürdige Fluggäste festgehalten – blätterte die Farbe von den Wänden ab, und die Möbel knarrten. Dieses Zimmer war hingegen erst vor Kurzem gestrichen worden (ausgerechnet cremeweiß), und der Holzstuhl, auf dem er saß, hätte bequemer nicht sein können. Schlichte Freuden wie diese waren es, die Tom in letzter Zeit zu schätzen gelernt hatte, denn es waren die einzigen. Sein Handy klingelte. Irgendjemand rief ihn an. Wer immer es war, hatte ihm bestimmt Interessanteres zu erzählen als das, was er gerade hörte. Tom hätte am liebsten das Telefon im Raum auf stumm geschaltet und den anderen Anruf

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