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Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Titel: Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Corin
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Zimmer, das extra für solche Besuche eingerichtet war. Die Leiche lag bereits mit einem sauberen weißen Tuch bedeckt auf dem Tisch. Sie benutzten extrem starkes Bleichmittel, um die Tücher wieder weiß zu bekommen. Den Schein zu wahren war wichtig.
    Chiles überzeugte sich, dass die Frau bereit war, dann faltete er den oberen Teil des Tuchs bis zu den nackten Schultern der Leiche zurück. Die Augen waren offen und dunkel. In der Stirn war ein Loch von der Größe eines Reißnagels, das die Frau, eine strenggläubige Buddhistin, an ein hinduistisches Tilaka erinnerte. Sie streckte die Hand aus, um das Loch zu berühren, hielt dann aber inne. Stattdessen streichelte sie zart über die rechte Wange ihrer Tochter. Die Haut war kalt. Ein Stück Rindfleisch aus der Metzgerei fühlte sich ganz genauso an. Es gab andere, viel kleinere Löcher, in den Ohren, der Nase und den Lippen, doch der Schmuck, der sie einmal geziert hatte, war verschwunden. Sie berührte auch die Lippen mit den Fingerspitzen. Sie waren porös.
    Chiles reichte ihr ein Clipboard (Kugelschreiber bereits daran befestigt) mit einigen Formularen, die sie unterschreiben musste. Die Frau las sich das oberste Formular durch. Die erste Frage lautete, wie das verwandtschaftliche Verhältnis zu der Verstorbenen war. „Mutter“, sagte sie sanft. „Ich bin ihre Mutter.“
    Statt nach Santa Fe zu fliegen, das nicht weit von Omaha entfernt gewesen wäre, wurden Tom und Norm zurück nach Washington D.C. beordert. Als sie auf dem Dulles International Airport landeten, war es bereits nach Mitternacht. Die Hälfte der Passagiere schlief. Norm schlief. Tom schlief nicht.
    Er hielt Rückschau auf die letzten vier Wochen. Was hätte er anders machen können? Was hätte überhaupt irgendjemand anders machen können? Esme hinzuzuziehen war keine schlechte Idee gewesen. Und die Theorie, auf die sie gekommen war, schien so stimmig. Aber womöglich war ihr außerordentliches Talent in den letzten Jahren etwas eingeschlafen? Und seines auch? Er wusste, dass er älter wurde, langsamer. Er merkte es jeden Morgen, wenn er aus dem Bett aufstand. Er merkte es jedes Mal, wenn seine Knochen ihn darauf hinwiesen, dass es bald regnen würde.
    Zwei FBI-Agenten trafen Tom und Norm am Gate. Sie stellten sich als Agent Dwyer und Agent Casey vor, warteten ein paar Minuten auf das Gepäck, wurden ungeduldig und begleiteten die beiden älteren Agenten zu einem neuen Crown-Victoria-Modell. Die Fenster waren getönt.
    „Es wird sich jemand um Ihr Gepäck kümmern“, erklärter einer von ihnen. „Sie bekommen es bald.“
    Tom und Norm nahmen ihre Plätze auf der Rückbank ein und tauschten einen Blick.
    „Passen Sie auf“, sagte Tom. „Ich weiß, dass man uns abholen lässt, um uns ein bisschen einzuschüchtern, aber es ist fast ein Uhr morgens, und mein Kollege und ich wollen einfach nur schlafen.“
    Agent Dwyer saß hinter dem Steuer. Agent Casey auf dem Beifahrersitz drehte sich zu ihnen um.
    „Wir haben Anweisung, Sie und Special Agent Petrosky in eine nahe gelegene sichere Wohnung zu bringen.“
    „In eine sichere Wohnung?“ Das weckte Norm aus seinem Halbschlaf. „Wieso?“
    Diesmal war es an Casey, mit seinem Kollegen einen Blick zu wechseln. Dwyer nickte. Casey griff in seinen Koffer und reichte Tom und Norm einen Bogen Papier. Darauf standen Namen, Sozialversicherungsnummern und Adressen von jedem Agenten der Task Force.
    „Vor ein paar Stunden hat die Polizei einen Schuhkarton in einem Wagen in San Francisco gefunden. Wir sind ziemlich sicher, dass der Wagen von Galileo dort abgestellt worden ist.“
    „Das erklärt noch nicht, warum wir …“
    „Diese Liste, Sir“, unterbrach ihn Agent Casey, „wurde in der Schuhschachtel gefunden. Die anderen Mitglieder Ihrer Task Force werden ebenfalls abgeholt, während wir gerade sprechen. Bitte lehnen Sie sich zurück.“
    Tom nahm sein Handy heraus. Genug war genug – er musste mit Esme sprechen. Wenn sich irgendjemand einen Reim auf all das machen konnte, dann sie. Ob sie wütend war, weil er ihre Anrufe nicht entgegengenommen hatte? Das wäre nur recht und billig. Sie nach Amarillo zu holen war schon idiotisch gewesen, aber ihr seitdem aus dem Weg zu gehen nur noch mehr …
    Agent Casey entriss ihm das Handy.
    „Keine Telefonate. Anweisungen des Büros.“
    Tom schäumte vor Wut. „Mmmhmm.“
    „Die Fahrt zu unserem Ziel dauert eine Dreiviertelstunde, Sir.“ Casey zeigte einige Zähne. „Wir wecken Sie, wenn wir

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