Herr Klee und Herr Feld | Roman
hinter dem Vorhang auftauchte, musste Moritz weinen. Zamira kam zu ihm, setzte sich auf die Lehne seines Sessels und nahm ihn in den Arm.
Ist das nicht wunderbar, dass er weiterlebt?, sagte sie.
Moritz nickte.
Ja, sagte er leise, er ist unsterblich.
Jetzt musste Zamira weinen und Moritz reichte ihr sein großes weißes Taschentuch.
Danke, Herr … Kleefeld, sagte sie.
[zurück]
30
Moritz hatte seinen Bademantel an, kam vom Briefkasten, schlurfte ins Haus und knallte hinter sich die Tür zu. Er zog aus seiner Post einen Brief heraus, die anderen Kuverts und Zeitschriften warf er im unaufgeräumten Salon achtlos auf einen Papierhaufen, der den Steinway bereits überwucherte. Er ging in die Küche, die ebenfalls einen erbarmungswürdigen Eindruck machte. Schmutziges Geschirr stand in der Spüle, überall lag etwas herum. Moritz setze sich an den Tisch, schob Geschirr, Gläser und Besteck zur Seite und öffnete einen Briefumschlag, der eine exotische Briefmarke trug. Er entfaltete einen Brief und ein Foto fiel ihm entgegen. Er nahm es hoch und sah es an. Es waren eine Menge gut und zum Teil bunt angezogener Menschen zu sehen und in ihrer Mitte stand ein Brautpaar, das sich anlächelte: Zamira und Hamed!
Moritz schaute sich das Foto noch einen Moment gedankenverloren an, erhob sich und befestigte es an dem überladenen Pinboard, das in der Ecke hing.
Er sah auf die Küchenuhr, es war halb zwölf. Er ging zum Herd, nahm einen Topf, füllte ihn mit Wasser und zündete das Gas an. Er nahm etwas Salz und warf es ins Wasser. Dann suchte er nach Nudeln und fand schließlich ein Päckchen Spaghetti. Er wollte es gerade öffnen, als es an der Tür läutete. Er machte den Herd aus, verließ die Küche und ging zur Haustür. Als er sie öffnete, stand Frau Stöcklein vor ihm!
Frau Stöcklein!
Herr Professor!
Und nach einer Schrecksekunde sagte sie:
Wie sehen Sie denn aus?
Moritz trug einen ansehnlichen Bart, denn er hatte sich seit Alfreds Tod nicht mehr rasiert. So war es Brauch bei gläubigen Juden während des Trauerjahrs.
Ich war gerade in der Gegend, sagte sie.
Schön. Kommen Sie rein.
Sie betrat den Flur und sah sich um.
Ich putze nicht jeden Tag.
Das sehe ich, sagte sie.
Während sie in Richtung Küche gingen, fragte er:
Nun, wie gefällt es Ihnen im Vogelsberg?
Ach, wissen Sie, Alt und Jung, das geht nicht gut zusammen.
Frau Stöcklein erschrak, als sie die Küche sah. Sie zog wortlos ihre Strickjacke aus und begab sich zur Spüle.
Was machen Sie da?, wollte Moritz zuerst sagen, aber dann hielt er sich zurück.
[zurück]
Glossar
Affidavit beglaubigte Bürgschaftserklärung für Flüchtlinge
aschkenasisch ursprl. nach deutschem Ritus, heute mittel- und osteuropäisch
Batja bat Shlomo Juden haben oft auch einen jüd. Namen,
Batja:
Tocher des Salomon
Michuel ben Mendel
jüd. Name des Autors: Michael, Sohn des Mendel
beganeft beklaut, von
ganef:
Ganove
Bienvenue à bord! frz.: Willkommen an Bord!
Bonne anniversaire! frz.: Alles Gute zum Geburtstag!
broche hebr.:
bracha
Segensspruch
broche-schmoche iron., indem bei Wortwiederholung ein »Schm…« vorgesetzt wird
challe Mohnzopf aus Weizenmehl
Chanukka Lichterfest mit dem siebenarmigen Leuchter
Chassid ein Frommer
C’est tout. Das ist alles.
Chewra Kaddischa der Beerdigungsverein
chochem Schlaumeier
comme il faut frz.: wie es sich gehört
cuisine juive frz.: die jüdische Küche
djihad arab.: der Heilige Krieg
ejzes Ratschläge, Sing.
ejze
effche vielleicht
emmes wirklich, tatsächlich, in der Tat
eppes etwas
fils à papa frz.: verwöhntes Söhnchen
fleischig nur für Fleischgerichte
ganef Ganove, Dieb
goj hebr.: Nichtjude
gojete Nichtjüdin
gojisch nicht jüdisch
Greyhound US -Überlandbusgesellschaft
halal arab.: erlaubt, zulässig
Halva orient. Nachspeise aus Ölsamen, Zucker, Honig, Mandeln etc.
… hamauzi lechem min ha’arez … der Du das Brot auf die Erde bringst
Jahrzeit Todestag eines Verwandten, an dem man trad. eine Kerze anzündet
jecke deutscher Jude
jeckepotz doofer Deutscher
Je m’en fou! frz.: Das ist mir wurscht!
Jerushalajim hebr.: Jerusalem
jid Jude, Plur.
Jidn
Jom Kippur Versöhnungsfest, Fasttag, höchster jüd. Feiertag
kaddisch hebr.: das Totengebet
kallike ein Wehleidiger
kefiah arab.: viereckiges Kopftuch mit Karomuster und Fransen
Kibbuzim
Weitere Kostenlose Bücher