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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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sagte Karl.
    “Setz dich doch mal.”
    “Nix.”
    “Lassen Sie ihn doch”, sagte die Frau. “Setzen Sie sich doch einfach hin.”
    Herr Lehmann setzte sich. Karl legte sich auf die Liege und machte Schnarchgeräusche.
    “Wie heißt Ihr Freund?”
    “Karl Schmidt.”
    “Was hat er denn für Probleme?”
    “Er redet wirres Zeug. Und schwitzt immer so komisch. Und schläft nicht. Er hat wohl zwei Nächte durchgemacht, aber er schläft trotzdem nicht.”
    “Ist er ansprechbar?”
    “Das hängt davon ab, ich meine, meistens nicht oder so. Ich meine, man kann zwar mit ihm reden, aber das ergibt keinen Sinn, was er sagt.”
    “Waren Sie die ganze Zeit dabei?”
    “Wie, die ganze Zeit?”
    “Seit er so ist.”
    “Nein.”
    “Seit wann ist er denn so?”
    “Also, ich habe ihn heute nachmittag getroffen, da war er schon so. Andere Leute haben gesagt, heute morgen wäre er noch einigermaßen normal gewesen.”
    “Gut, da kommt dann gleich noch ein anderer Arzt. Jetzt brauche ich noch ein paar Angaben.”
    Sie fragte Herrn Lehmann eine Menge Dinge über Karl, und vieles davon wußte Herr Lehmann nicht. Seine Krankenkasse zum Beispiel. Er wußte nicht einmal, ob sein bester Freund überhaupt krankenversichert war. Ebensowenig kannte er die Anschrift seiner Eltern, und auch die Namen seiner beiden Schwestern wären ihm unbekannt.
    “Das ist schon ein Problem”, sagte die Frau. “In solchen Fällen”, sie machte eine Kopfbewegung zu Karl hin, der jetzt hektisch auf engstem Raum auf und ab ging, “ist es schon wichtig, daß man die nächsten Verwandten erreicht. Hat er eine Freundin?”
    “Nicht eigentlich.”
    “Was heißt nicht eigentlich”, fragte sie amüsiert. “Aber uneigentlich schon, oder wie?”
    “Nein, er hat keine Freundin.”
    “Hat er sonst irgend jemanden in der Gegend? Außer Ihnen?”
    “Nein.”
    “Wo kommt er denn her? Aus Berlin?”
    “Er lebt seit zehn Jahren hier. Seine Eltern sind in Ostwestfalen, ich glaube in Herford. Ich werd mal sehen, daß ich die herausfinde.”
    “Na, wenn er Schmidt heißt, dann werden Sie eine Menge zu tun haben.”
    “Krieg ich schon raus.”
    “Dann: Hat Ihr Freund irgendwelche Allergien? Unverträglichkeiten mit Antibiotika oder so?”
    “Weiß ich nicht.”
    “Trinkt er viel Alkohol?”
    “Naja, was heißt viel?”
    “Jeden Tag?”
    “Denke schon.”
    “Nur Bier? Oder Wein? Harte Alkoholika?”
    “Ja.”
    “Alles?”
    “Ja klar.”
    “Hm … Drogen? Hat er Drogen genommen?”
    “Ich denke schon, nehm ich mal an. Wenn er zwei Nächte durchgemacht hat …”
    “Welche?”
    “Ja, also da bin ich eigentlich überfragt.”
    “Kokain? Amphetamine? Heroin?”
    “Heroin nicht, das glaube ich nicht, da bin ich mir sicher.”
    “Kokain? Amphetamine, Speed?”
    “Wahrscheinlich.”
    “LSD?”
    “Gibt’s das noch?”
    “Die Frau lächelte. Sie sind da nicht ganz auf dem laufenden, oder?”
    “Nein, ist nicht so mein Ding.”
    “Die Frau stand auf und ging zu Karl. Herr Schmidt”, sagte sie. Karl saß jetzt aufrecht auf der Liege und ließ den Kopf hängen. “Schauen Sie mich mal an, Herr Schmidt.” Karl schaute hoch. Sein Gesicht hing schlaff auf den Knochen, seine Augen waren verweint, aber weit offen. Die Frau schaute prüfend hinein, dann hielt sie ihm kurz die Hand vor die Augen und nahm sie wieder weg, und dann machte sie dasselbe noch einmal.
    “Komm schon”, sagte sie. “Na gut, irgendwas Schnelles wird’s schon gewesen sein.”
    “Ja nun …”, sagte Herr Lehmann.
    “Na gut”, sagte sie. “Glauben Sie, daß Sie noch kurz mit ihm hier warten können, bis der andere Arzt kommt?”
    “Ja sicher, das geht schon.”
    “Ich werde mal sehen, daß er schnell kommt.”
    “Das ist gut.”
    Sie wollte schon gehen, drehte sich aber in der Tür noch einmal um. “Ach so”, sagte sie, Ihre Personalien brauche ich ja auch noch.”
    Sie setzte sich wieder hin und schrieb sich seinen Namen, Geburtsdatum, Adresse und Telefonnummer auf.
    “Alles klar, Herr Lehmann”, sagte sie und lächelte. “Ich hol dann mal den anderen Arzt.”
    Dann ging sie und nahm ihre Papiere mit.
    Kurz darauf kam der andere Arzt. Herrn Lehmann kam er ziemlich jung vor. Der ist auch nicht viel älter als ich, dachte er, und irgendwie gefiel ihm das. Der Arzt sah müde aus und schüttelte Herrn Lehmann schlaff die Hand. Er hatte die Papiere dabei, setzte sich hin und las erst einmal alles durch. Dann sah er Herrn Lehmann an.
    “Wo fehlt’s

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