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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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aber es ging jetzt nicht anders. Diese Penner in 6l, dachte er, die glauben an so einen Scheiß.
    “Was soll das denn heißen, Leben oder Tod?”
    “Okay, ich sag dir mal was: Es ist wirklich wichtig, verstehst du? Das ist jetzt kein Spaß. Also, wenn du mir die Nummer nicht geben willst, dann mach doch einfach folgendes: Ruf bei ihr an, und wenn sie da ist, dann sag ihr bitte, daß Herr Lehmann angerufen hat und daß sie dringend zurückrufen soll, bei Karl zu Hause, es ist sehr wichtig.”
    “Immer mal langsam. Wo soll sie jetzt anrufen?”
    Herr Lehmann erklärte es ihr noch einmal, dann bat er sie, sich die wichtigsten Eckpunkte doch einfach mal eben zu notieren, und dann wurde sie pampig und sagte, daß er ganz schön frech sei, dann wiederholte Herr Lehmann, daß es um Leben oder Tod ginge, und dann hatte er sie endlich so weit, daß sie versprach, Christine anzurufen. Danach ging Herr Lehmann in die Küche und suchte nach Bier. Er fand tatsächlich eins, es stand hinter dem Mülleimer und war dort wohl vergessen worden. Es war warm, aber das machte nichts. Er hatte gerade den ersten Schluck genommen, als das Schnarchen aufhörte. Er ist eingeschlafen, dachte Herr Lehmann.
    Statt dessen stand sein bester Freund plötzlich in der Tür. Er trug nur die Unterhose, sonst nichts. Und er sagte nichts, stand nur da und trat von einem Fuß auf den anderen. Er sah unglaublich traurig aus.
    “Ich muß noch was einholen”, sagte er. Wo sind meine Sachen?”
    In diesem Moment klingelte das Telefon. Herr Lehmann lief schnell hin, um Karl zuvorzukommen, aber das wäre nicht nötig gewesen, Karl nahm es gar nicht wahr.
    “Bei Karl Schmidt”, sagte Herr Lehmann.
    “Was ist denn los?” fragte Christine, die Frau vom Savoy. “Was soll der Scheiß mit Leben oder Tod?”
    “Es geht um Karl”, sagte Herr Lehmann. “Er ist …” Herr Lehmann hielt inne. Er konnte ja schlecht in Karls Beisein sagen, daß Karl übergeschnappt war. “Es geht ihm schlecht. Sehr schlecht.”
    “Und da ruft ihr mich an, oder was? Das ist alles, was euch einfällt, mich dann anzurufen? Wenn Karl lustig ist, dann ruft mich kein Schwein an. Wenn’s ihm schlecht geht, ruft man mich an. Ist ja super. War das seine Idee?”
    “Nein, natürlich nicht. Es geht ihm viel zu schlecht.”
    “Und was soll ich da tun? Was hat er denn?”
    “Er, naja, er ist nicht ganz bei sich.”
    “Nicht ganz bei sich”, äffte sie ihn nach. “Ich dachte schon, es wäre was Schlimmes. Das ist doch sein Normalzustand. Jedenfalls hat er noch meine Schlüssel. Der Scheißkerl hat mein ganzes Schlüsselbund mitgenommen. Da hängt die Kneipe dran und alles. Das hätte ich gerne mal wieder. Ist er da bei dir?”
    “Ja.”
    “Gib ihn mir mal.”
    “Ich glaube, das geht jetzt nicht.”
    “Ich glaube, das geht jetzt nicht”, äffte sie ihn schon wieder nach. Herrn Lehmann ging das gehörig auf die Nerven. “Jetzt gib ihn mir schon.”
    “Sie will dich sprechen”, sagte er zu seinem besten Freund Karl, der sich inzwischen auf den Boden gesetzt hatte und an seinen Füßen puhlte.
    “Wer?”
    “Christine.”
    “Ich muß mal.”
    “Tut mir leid”, sagte Herr Lehmann in den Hörer.“Ich glaube, das geht jetzt nicht. Er kriegt das nicht hin. Hör mal, wenn ich sage, er ist nicht ganz bei sich, dann meine ich das ernst. Ich meine, mehr so klinischerweise.”
    “Was redest du denn da?”
    “Naja, ich meine so medizinisch”, raunte Herr Lehmann. “Er ist wirklich nicht wie sonst.”
    “Wie jetzt? Ist er übergeschnappt, oder was?”
    “Ja.”
    “Was soll das denn heißen?”
    “Es ist wirklich so. Es ist ein klinischer Fall, glaube ich.”
    “Ach Scheiße”, sagte sie, und Herr Lehmann glaubte, sie weinen zu hören.
    “Ach Scheiße.”
    “Ich meine, ehrlich mal. Der ist total drüber.”
    “Laß mich doch in Ruhe”, schluchzte sie. Nach einer Weile, die Herrn Lehmann ewig erschien, denn er konnte es nicht ertragen, wenn andere Menschen weinten, schon gar nicht, wenn es am Telefon war, schien sie sich wieder gefangen zu haben. Herr Lehmann hörte, wie sie sich schneuzte. “Wenn es klinisch ist”, sagte sie trotzig, “dann bring ihn doch zum Arzt. Dafür sind die doch da. Oder ins Krankenhaus, was weiß ich denn. Bin ich hier die Klinik, oder was? Zwei Jahre. Hast du gewußt, daß wir seit zwei Jahren was miteinander hatten? Oder bist du noch so jung, daß ich sagen muß: Miteinander gegangen sind?”
    “Nein”, sagte Herr Lehmann, dem das

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