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Herr Merse bricht auf

Herr Merse bricht auf

Titel: Herr Merse bricht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Nohr
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dass » Roter Puter! Bist ein Schnuter« offenbar auch auf Oskar angewendet wurde. Er schmunzelte und spürte eine Entlastung, die ihm Kraft gab: » Barbara, vielen Dank für deine Umsicht. ( » Gut, oder? Johannes?« » Sehr gut.«) Aber ich möchte mich auf meine Weise in meiner neuen Lage zurechtfinden. Ich bin etwas langsamer in vielem…« (Ach, falsch, Barbara darf man nichts einräumen… falsch, jetzt…) » Na, ich würde sagen: in allem!«, kam es prompt. » In vielem«, erwiderte er ruhig. » Ich war zum Beispiel immer zuerst im Wasser.« » Mein Gott, als Kind. Wir sind im Hier und Jetzt! Du dackelst wie ein Schaf hinter dem Leben her. Wenn du dich um Dagmar anders bemüht hättest, gäb es hier und heute mit dir kein Problem. Nämlich das Problem, dass du übrig bist und versorgt werden musst. Dann hättest du jetzt ein Kind und eine Wohnung, zum Beispiel die über mir, und deinen eigenen Sylturlaub mit deiner eigenen Familie. Auf meine eigene Weise, dass ich nicht lache…« Sie äffte ihn nach.
    Herr Merse wurde blass. » Wieso Kind? Wie kommst du darauf?« » Na, ich hab Dagmar getroffen, und sie ist im siebten Monat schwanger. Von diesem Dirigenten, diesem Andreas. Ich hab…« Und Barbara erzählte weiter von der Begegnung mit Dagmar in der Eppendorfer Frauenklinik, und dass Dagmar lange mit ihr gesprochen habe, so zum Beispiel von ihrem Umzug in eine neue, größere Wohnung, und dass es ein Junge werden würde, dass sie nächsten Monat heiraten und Andreas’ Namen annehmen wolle, damit das Kind Eltern mit einem Namen und keinem Durcheinander bekäme…
    Herr Merse hörte Barbaras laute Stimme wie gedämpft, denn zwischen ihr und ihm stand auf einmal eine dicke, schusssichere Glaswand. Verschliert? Raus jetzt, hörte er leise und doch vernehmlich Johannes’ Stimme. Er wendete sich abrupt von der unablässig redenden Barbara weg, öffnete die Kammertür, nahm Horn und Rollkoffer heraus und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung.
    Im Hof schloss er in hellwacher Betäubtheit Barbaras Fahrrad ab und steckte den Schlüssel in die Hosentasche. Zog dann den Rollkoffer in den Lerchenweg. Luners waren nicht da. Er sagte der Wirtin, er habe mit Frau Luner abgemacht, dass er seine Sachen bei ihr unterstellen dürfe. Sie nickte ihn zur Treppe durch. Er klopfte an, wartete kurz, öffnete vorsichtig die Tür und stellte Koffer und Horn gleich rechts in eine Nische. Er wollte einen Zettel schreiben, fand aber keinen. Auf dem Tisch lag eine Zeitung, neben dem Fernseher fand er einen Bleistift. Er riss eine Zeitungsecke ab und schrieb in winzigen Buchstaben: » Liebe A. L. Notlage. Wäre dankbar für Anruf. Ingo Merse. Entschuldigung fürs Eindringen.« Und setzte seine Handynummer hinzu. Als er unten vor der Tür in die helle Sonne trat, wunderte er sich über seine Umsicht. Er hatte das Handyaufladegerät in seinen Überlebensbeutel getan, ging in ein Café, setzte sich so, dass er an eine Steckdose herankam, und steckte die Schnur hinein. Dieses Gerät würde ihn mit dem Leben verbinden. Er musste es nun hegen und pflegen. Als das Batteriesymbol grün blinkte, ging er aufgeladen mit Selbstbehauptungsenergie zu seinem Strandkorb.
    Sein Strandkorb war sein Strandkorb. Klar, Barbara? Seine Lok. Seine 1423 . Es war nicht mehr wie früher. Damals waren sie vier, mit Dagmar war er zwei gewesen. Mit Anemone und Joel dazu wären sie erstmals drei. Mit Natascha vier. Dagmar im siebten Monat schwanger. Die Sieben passte nicht. Doch. Sieben Leben. Aber nicht seine. Herr Merse starrte aufs Meer. Durch sein Sichtfeld gingen von links nach rechts und von rechts nach links Paare, rannten Kinder, schwammen Badende, fuchtelten Mütter, spurteten Sporttreibende, flog ein Ball. Er sah den Ball auf dem flachen Wasser tanzen, das ihn ans Land trug und wieder hinaussog. Er schloss die Augen. Sein Kind war weg. Ein neues Kind war als runder Ball in Dagmars Bauch. Er fühlte nichts.
    » Johannes, sie bekommt ein Kind. Von dem anderen.« » Frauen bekommen immer Kinder.« Johannes schien nichts dabei zu finden. » Aber meines hat sie damals weggemacht!« » Deines? Eures!« Eures. Das saß. Herr Merse musste den Klang von » Eures« verdauen. Er nahm das schmerzende Wort auseinander. Eu eu eu res res res. Eu wie »Euter«. Kuh mit Euter. Euer. Euer Euter, der du… res… Rest. Der Rest kam weg. » Das Problem, dass du übrig bist und versorgt werden musst.« Herr Merse war übrig und somit ein Rest. Verbissen schrieb er mit dem

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