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Herr Möslein ist tot (German Edition)

Herr Möslein ist tot (German Edition)

Titel: Herr Möslein ist tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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nach Hause?«, jammert er.
    »Wo ist Pauli?«, zische ich wütend zurück.
    »Die ist bei Gisi. Sie wollte dort bleiben. Ich hatte mit Gisi und Rudi etwas Wichtiges zu besprechen!« Heinz guckt mir trotzig in die Augen. Wenn er denkt, ich frage ihn jetzt, was es so Wichtiges zu besprechen gab, täuscht er sich. Ich will trotz meiner Neugier keine Hoffnungen bei ihm wecken. Also sage ich abschließend: »Ich muss mit Betty fahren, wir haben auch Wichtiges zu besprechen!«
    Ich lasse Heinzi sitzen, packe schleunigst meine Klamotten und fahre zur Rezeption des Hotels. Betty wartet bereits in der Tiefgarage. Ich muss mich beeilen. Das Foyer ist fast leer. Trotzdem stehen zwei Rezeptionistinnen in schicken, aber nicht knitterfreien Kostümen hinter dem Tresen. Ein Anzugmensch sitzt hinter einem Schreibtisch neben der Rezeption. Vielleicht ein Hoteldiener oder so etwas. Alle anderen DDR -Bürger sind schon im Bett. Sicherlich, weil man in diesem Land normalerweise um sieben auf Arbeit sein muss.
    »Entschuldigung!«, sage ich zu der blonden, überschminkten Dame, deren gequältes Lächeln viel Zahnfleisch preisgibt. »Ich würde gern ein Zimmer für die Nacht vom 22. zum 23. September reservieren. So in der 6. oder 7. Etage!«, sage ich zaghaft und darauf hoffend, dass die Zimmernummern in diesen Etagen als glaubhaftes Oma-Alter verwendbar sind.
    »Für Sie?« Ich nicke. Die knappen Ansagen kenne ich schon von der Sparkasse.
    »Ihren Ausweis, bitte!« Ich freue mich über das »Bitte!« und erhalte nach Ausfüllen eines Formulars und Vorzeigen meines Persos die freundliche Ansage: »Alles klar!«
    »Äh, können Sie mir sagen, in welchem Zimmer ich wohnen werde?«, frage ich ängstlich, weil sonst mein ausgeklügelter Jürgen-Plan bedroht ist. Zahnfleisch guckt verwirrt, aber immer noch lächelnd. Vielleicht sind die Mundwinkel ja auch angetackert, mutmaße ich. Sie schaut auf ihren Zettel und sagt dann: 223. »Und ein anderes Zimmer haben Sie nicht?«, frage ich panisch. Sie schüttelt den Kopf und wendet sich ihrer Kollegin zu. Ich haste verstört zum Aufzug Richtung Tiefgarage, dessen Türen sich gerade öffnen und den Blick auf Heinzi freigeben.
    »Na?«, fragt er mit gebrochener Stimme.
    »Na?«, frage ich möglichst fröhlich zurück, denn ich bin sehr erleichtert, ihn hier zu sehen, kann er doch meine Zimmerreservierung nicht mitbekommen haben. Heinz sagt gar nichts mehr und steht mit hängenden Schultern im teuren grünen Jackett mitleidheischend vor mir.
    »Soll ich Pauli morgen abholen?«, frage ich knapp.
    »Mhm, kannste. Gisi muss erst um zehn auf Arbeit.« … Gequälter Augenaufschlag.
    Ich sage trotzdem nur: »Okay!«, und hülle mich in Schweigen. Ich muss über die Zimmernummer 223 nachdenken. Was soll ich Jürgen am Telefon sagen? Meine Oma wird 223? Super Trick, um eventuelle Mithörer stutzig zu machen.

Fasse dich kurz
    Ich bin nach dem gestrigen Auftritt und einem Zimmernummer-Grübelergebnis bei einer wortkargen Rückfahrt mit Betty sehr früh aufgestanden. Als ich gegen acht noch halbwegs fröhlich die Treppen unseres Hauses hinuntersprang, verstärkte unsere Hausbuchverantwortliche, Frau Eichholz, meine latent vorhandenen Ängste, indem sie mir wirres Zeug hinterherrief: »Ihr Mann ist doch bei der Stasi. Ich habe ihn schon so oft beim ABV angezeigt, und nichts passiert!«, krähte sie mit Altfrauen-Piepsstimme, fuchtelte mit ihrem Krückstock, und ihr blöder Pudel bellte dazu.
    Woher will sie das wissen? Ich bin verunsichert, denn wenn Heinzi nicht nur eifersüchtig ist, sondern mir im Auftrag einer Behörde hinterherspioniert, dann … ja, was dann? Ich weiß es nicht, aber ich bin in Sorge.
    Was Heinzi Frau Eichholz angetan haben könnte, interessiert mich dagegen im Moment nicht, denn ich will Pauli pünktlich bei Gisi abholen und ärgere mich gerade über realsozialistische Mangelwirtschaft und Zerstörungswut. Ich stehe mittlerweile schon in der dritten Telefonzelle Babelsbergs, in der das Telefon funktionsuntüchtig ist. In dieser hängt der Telefonhörer zwar noch an der geringelten Schnur, aber die Sprechmuschel ist abgerissen. So eine Kacke. Mir soll noch mal jemand erzählen, dass man ohne Handy, PC und Co. stressfreier leben würde! Ich bin im Hyperzeitstress, denn ich will Jürgen telefonisch über die Zimmernummer aufklären. Wilde Verwünschungen gegen die Post der DDR ausstoßend, boxe ich meine Pappe, als ob sie Schuld an dem Desaster hätte, und brause dann weiter die

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