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Herr Möslein ist tot (German Edition)

Herr Möslein ist tot (German Edition)

Titel: Herr Möslein ist tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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die Karte: »Na, das ist ja doof, hier kostet ein Saft mehr als ein Bier? Unverschämt. Dann bin ich gezwungen, Alkohol zu trinken. Ich nehme ein Bier!«
    »Und ich einen O-Saft!«, entscheide ich, um einen klaren Kopf zu behalten. Wenn ich Carsten wirklich gleich treffe oder vom freundlichen Tresenmann erfahre, wo ich ihn finde, darf ich kein alkoholumnebeltes Hirn haben. Ein Kellner kommt an unseren Tisch. Er trägt enge Röhrenjeans, darüber ein weites, weißes Hemd und hat seine Augen mit einem Kajalstift umrandet.
    »Na, ihr Süßen«, näselt er, »habt ihr euch verirrt? Macht nichts! Wir sind tolerant!« Mister Kajal wippt beim Sprechen mit den schmalen Hüften. Betty schiebt ihre Brille mit einem Finger an die Nasenwurzel, Jürgen tut es ihr nach, und beide starren fassungslos erst auf den Kellner, dann zu mir.
    »Wir hätten gern zwei Bier und einen O-Saft!« Ich bestelle zügig, um eine Flucht meiner überrumpelten Freunde zu verhindern. Kajal wippt davon. Jürgen zieht seinen Hemdkragen vom Hals weg und bewegt seinen Kopf unsicher hin und her.
    »Wir sind in einer Schwulenkneipe!«, stellt Betty fest.
    »Ist Carsten schwul?«, fragt Jürgen entsetzt.
    »Nein«, schreie ich viel zu laut.
    »Wer ist denn Carsten?«, will Betty wissen.
    Jürgen schaut mich verdutzt an. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr!«
    Während ich überlege, welche Geschichte ich mir ausdenken soll, steht plötzlich Kajal wieder hinter mir, wippt und näselt mit abgespreiztem Teekannenarm: »Wollt ihr Bier aus der Flasche oder vom Fass?«
    »Vom Fass«, sagt Jürgen, abwesend auf Betty starrend.
    »Entschuldigen Sie bitte«, wende ich mich an Kajal. »Arbeitet hier vielleicht ein Carsten? Aus dem Osten?« Kajal blinzelt mit seinen umrandeten Augen, beginnt ein wenig hektischer mit der Hüfte zu wippen, krault über Jürgens Topfschnitt und sagt: »Nein, aber wenn er hübscher ist als dieser kleine Brillenbär hier, dann stell ihn mir doch mal vor!« Kajal schielt, pikiert den Mund verziehend, auf Jürgen.
    »Bitte beleidigen Sie nicht meinen Freund!«, versuche ich die Situation zu retten. Kajal stampft sanft auf, wendet sich ruckartig um 180 Grad und tänzelt zu Marianne Rosenbergs »Lieder der Nacht« Richtung Tresen davon.
    »Tati, du wirkst ja wie besessen. Wer ist denn dieser Carsten, dass du ihn so unbedingt treffen willst?« Ich bin dankbar, dass Betty, statt zu meckern, ehrlich interessiert scheint und Jürgen den Mund hält.
    »Betty, ich kann es wirklich nicht genau erklären, aber …«, ich halte meine Hand zwischen meinen Mund und Bettys Ohr und sächsle: »Abor er wörd die Liebe meines Läbens!« Dann blicke ich wegen der Heimlichtuerei abschätzend zu Jürgen. Dieser stiert starr vor Schreck mit offenem Mund in Richtung Tresen. Ich folge Jürgens ungläubigem Blick bis zum grauhaarigen Barkeeper. Der kommt mit unseren Getränken auf dem Tablett um die Ecke stolziert, und ich bin verblüfft. Betty reißt sich die Brille von der Nase, poliert die Gläser hektisch mit ihrer Bluse und setzt sie wieder auf. Da steht der schlanke grauhaarige Tresenmann, bekleidet mit einer Latzschürze, die sicher vor Flüssigkeiten schützt, aber nichts verbirgt, direkt vor uns. Jürgen schaut frontal, Betty und ich von links und rechts auf dieses außergewöhnliche Bekleidungsstück aus durchsichtigem Plaste oder Zellophanbeutel, nur dicker … egal! Der Barkeeper ist darunter splitterfasernackt und präsentiert uns Sitzenden auf Augenhöhe seinen rasierten Mittelkörper. Niemandem außer uns scheint das aufzufallen, keiner der anwesenden Männer wirft auch nur einen Blick in unsere Richtung. Betty schreit ein kurzes, schrilles »Huuuch!«, das in einen Lachkrampf mündet, der so ansteckend ist, dass ich einfach mitgerissen werde. Jürgen erwacht aus seiner Schreckstarre, springt panisch auf, wühlt in seiner Hosentasche, knallt einen Zehn-Mark-Schein auf den Tisch, und während der Folienschürzenjäger noch lächelnd das Geld greift und sich wieder seinem körperabdeckenden Arbeitsplatz zuwendet, ist Jürgen bereits fluchend aus dem Oldtimer geflüchtet.
    »Hahahaaa Tati, wie lustig ist das denn?« Betty gluckst und kichert.
    »Jahahaaaa! Sehr geil!«
    »Wie geil? Jetzt macht dich das auch noch an?« Betty schüttelt sich erneut heftig lachend.
    »Nein, ich meine cool … äh … toll oder was man so sagt!«
    Wir trinken schnell wie die Bauarbeiter unsere mit wertvollem Westgeld bezahlten Getränke aus, um unseren Chauffeur Jürgen

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