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Herr Möslein ist tot (German Edition)

Herr Möslein ist tot (German Edition)

Titel: Herr Möslein ist tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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seine kürzlich bezogene Wohnung in der Invalidenstraße zu kommen. Wegen der, seit dem Oldtimer-Reinfall vor drei Tagen, auf Eis gelegten Carsten-Suche und von einem großen Anlehnungsbedürfnis getrieben, nahm ich Ingos Einladung unüberlegt an.
    Aus dem Sonnett-Rekorder, der eigentlich nur ein Abspielgerät ist, singt Wolfgang Ziegler gerade meinen 89er Lieblingssong: Verdammt, und dann stehst du im Regen und niemand hält dir den Schirm und meine Seele, die erfriehiert! Ingo zündet zwei Zigaretten an und reicht mir eine. Wir lehnen an der vergilbten Wand und blasen Kringel, die vom Kerzenlicht in gelben Nebel verwandelt werden. Ingos schmale, braune Klavierspieler-Hände streicheln mein Knie. Ich muss hier weg, denke ich. Ich kann doch meine große Liebe nicht betrügen. Jetzt klettert die Hand zu meinem Oberschenkel, und ich überlege, ob ich im Moment wirklich schon mit Carsten zusammen bin. Natürlich bin ich das. Schon seit über sechs Jahren. Die Hand grabbelt sich bedenklich in meinen Schritt. Oh! Fffff! Eigentlich will ich Carsten ja erst finden. Ich kenne ihn jetzt ja noch gar nicht … Die andere Hand hat Ingos Zigarette ausgedrückt und knöpft jetzt wieder an meiner Bluse. Ich kann nichts dagegen tun. Ich bin schuldlos. Oahhhhh! Gegen meinen jungen Körper kann mein alter Geist einfach nichts ausrichten. Mhm! Jaaa! Autsch! Jetzt habe ich mir die Finger verbrannt. Beknackte Zigarette. Ich krabble auf allen Vieren zum Aschenbecher, der auf dem Fußboden neben der zerwühlten Liebeswiese steht, und schmeiße den Rest des verkohlten Filters hinein. Ingo nimmt meine Hand und leckt mir die Wunde. Mein Gott, sieht er gut aus! Verdammt, ich kann ohne dich nicht leben! , singt der Wolfgang, während sich Ingo seines orangefarbenen Sweatshirts entledigt. Seine schwarzen Thomas-Anders-Locken streicheln meine Schultern. Dass ich als Best Ager noch mal mit so einem jungen Burschen im Bett lande, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ingos Hände setzen ihre Wanderung unter meiner Bluse fort, meine Hormone tanzen Tango. Das haben sie damals schon gemacht. Immerhin war ich mit Ingo fünf Jahre liiert. Das lag nicht nur an seinem guten Aussehen oder seiner Unbekümmertheit … das lag auch an … Ingos Mund nähert sich meinem Gesicht, ich spüre seinen Atem auf meiner Haut, merke, wie mein Gehirn in die Hose rutscht, und erinnere mich der längst vergangenen Nächte mit ihm, in denen er meinen fast verdorrten ehelichen Garten wieder zum Blühen brachte. Ich spüre die Wärme seiner Haut, sein zärtliches, hocheffizientes Streicheln, höre seine Worte: »Isch lach misch weg, hör ma! Du guckst wie’n Eischhörnschen. Was’n los?« Sofort stolpern meine Hormone. Meine Libido sucht sich ein Versteck, die Synapsen springen an, das Gehirn ist wieder da, wo es hingehört. Ach, hätte er doch den Mund gehalten. Warum spricht er denn jetzt? Hat mich das früher nicht gestört? Ich seufze. Auf der anderen Seite, denke ich, sollte man eine Weintraube genießen, bevor sie zur Rosine wird. Also schmiege ich mein Gesicht wieder an Ingos glatte, haarlose Brust. Ich hauche: »Ingo, das heißt Eichhörnchen. Und nichts ist los.« Ingo streichelt meine Brust. Wie von einer Nebelmaschine wird mein Gehirn wieder von Hormonwolken eingenebelt, meine Libido fährt Porsche. Toll, wie das funktioniert. Ich küsse seinen schlanken Bauch und flüstere erregt in seinen Bauchnabel: »Ich bin einfach nur überrascht, dass du und ich … in meinem Alter …!« Mein jugendlicher Liebhaber zieht meinen Kopf liebevoll nach oben, so dass wir, ich auf ihm liegend, einander in die Augen schauen können. Bevor mein Kuss seinen Mund verschließen kann, sagt Ingo: »Isch wär beschrubbd, würde isch disch nisch doll finden. Die fünf Jährschen. Du siehst doch noch urst knackisch aus.«
    Ich lache japsig. »Das Wort knackig ist schon lange niemandem mehr zur Umschreibung meines Äußeren eingefallen!«
    »Hättste misch ma gefracht, süße Schnuggelmaus!« Wie ein Orkan pustet dieser hocherotische Satz meinen Hormonnebel auseinander. Ich zucke zurück und knöpfe endgültig meine Bluse zu. Mein alter Kopf produziert bei diesem Dialekt Bilder von Männern, die sonst nur für die nachmittäglichen Reality-Soaps bei RTL engagiert werden. Das turnt mich dermaßen ab, dass mein junger hormonstrotzender Körper keine Chance mehr hat. Der süße, 21-jährige Ingo schaut verwirrt zu mir auf. »Habsch was Falsches gesacht?«
    »Nein Ingochen, haste nicht.

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