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Herr Möslein ist tot (German Edition)

Herr Möslein ist tot (German Edition)

Titel: Herr Möslein ist tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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»Brüdor zur Sonne zor Fraiheit!«
    ***
    »Mach hinne, Tati, du kannst deine Klamotten auch nachher noch in den Schrank räumen. Wir müssen los!«, drängelt Betty, während ich meinem anerzogenen Aufräumzwang nachgebe und meine Achtziger-Jahre-Klamotten im Hotelzimmerschrank verstaue. Wir hatten entschieden, in das für uns reservierte Hotel in Sankt Georg, Am Pulverteich, einzuchecken, bevor wir uns zur Probe in die Kunsthalle am Glockengießerwall aufmachen. Die Freie Hansestadt empfängt uns diesig und mit Nieselregen, als wir aus dem Hotel treten. Aus dem Schaufenster des gegenüberliegenden Hauses wird Betty von blinkenden Lichtern, die große Fotos fast vollständig entkleideter Männer beleuchten, magisch angezogen. Ich folge ihr wie ferngesteuert und verspüre beim Anblick knackiger Männerpopos und Sixpacks ein erotisches Spontankribbeln. »Pulverfass« steht über dem Eingang dieses Etablissements. Auf den Fotos im zweiten Schaufenster posieren Männer in Frauenkostümen, die der Damenwelt eindeutig verloren gegangen waren. »Ach, guck mal!«, sagt Betty, »hier machen sie auch Phonomimik. Na, das kennen wir ja von zu Hause!«
    Plötzlich tritt ein Mann aus der Tür zwischen den Schaufenstern, schaut uns skeptisch an und fragt: »Seid ihr aus dem Osten?«
    Als ich das zum ersten Mal erlebte, war ich ziemlich verblüfft, wie er so schnell unsere Herkunft erkennen konnte. Diesmal schaue ich ihn nur grinsend an. Betty dagegen ist erstaunt. »Ja, warum?«, fragt sie.
    »Dann lasse ich euch heute Abend in die 23-Uhr-Veranstaltung der Dream-Boys kostenlos rein!«, bietet er uns an. Dieses Angebot des eindeutig zweideutig wirkenden Herrn macht Betty neugierig. Sie hat so etwas noch nie gesehen und erlebt. Ich will ihr den Spaß nicht verderben und erwidere wissend: »Wir kommen gern, wenn Sie uns versprechen, dass wir nicht zu einem Erstgetränk für 17,50 DM verpflichtet werden.« Der Einlasser guckt überrascht, nickt kurz und sagt gönnerhaft: »Na gut, versprochen. Ich spendiere euch ein Getränk, wenn ihr kommt.« Ich bin erleichtert. So rette ich die 20 DM von Gisi für mein Telefongespräch mit Schwiemu. Betty vermutet wahrscheinlich, dass ich dieses Insiderwissen von Jürgen habe. Sie klopft mir auf die Schulter und schiebt mich Richtung Trabi.
    Trotz der Dämmerung und des uns verfolgenden Hupkonzertes anderer Autofahrer, finden wir das schöne, im 19. Jahrhundert erbaute Gebäude der Kunsthalle schnell. Unter den Blicken neugieriger Hamburger, die unsere Pappe auf dem Parkplatz umkreisen, eilen wir mit unseren Kostümen und Requisiten vom Parkplatz zu unserem Auftrittsort. Wir wurden von einer Agentur für eine französische Kosmetikfirma engagiert, die in den Kunsthallen Hamburgs eine Marktneuheit, nämlich ein Gesichtspuderspray, präsentieren will. Zu diesem Zweck waren wir, neben einer Lasershow, als Tänzerinnen engagiert. Wir wussten damals nicht, dass die Kunsthalle mit hochkarätigen Ausstellungen und bedeutenden Sammlungsbeständen zu den führenden Museen Deutschlands zählt. Diesmal weiß ich es besser und erzähle Betty, dass hier eine umfassende Gemäldesammlung mit Werken von der Spätgotik bis zur Gegenwart präsentiert wird, und freue mich über Bettys anerkennende Äußerung: »Boah!« Bei den Proben in den altehrwürdigen Hallen testen wir den Bühnenboden mit unseren Tanzpumps und geben dem Techniker zwei Tonbandkassetten mit unserer Musik, falls eine durch Bandsalat ausfällt. Dann beobachtet Betty erstaunt die erste Lasershow ihres Lebens. Die mit künstlichem Nebel sichtbar gemachten Strahlen werfen Bilder, Werbeslogans und sich bewegende Hände an die Bühnenwand. Ich kenne mittlerweile viel bessere Shows, unter anderem von meinen Schiffsreisen, und schaue mich gelangweilt im Saal um. Der Raum vor der Bühne ist mit Stuhlreihen bestückt, die auf viele zu erwartende Gäste schließen lassen. Ich weiß schon, wer alles kommen wird. Was mich damals irritierte, gehört später zu meinem Alltag. Nämlich, dass Firmen für ihre Produkte werben, indem sie um Prominente oder solche, die sie für Prominente halten, buhlen. Kaum sind wir mit der Probe fertig, betritt ein Mann vom Sicherheitsdienst den Saal.
    »Sind Sie verrückt geworden? Sie können in diesem Gebäude doch nicht mit Nebel hantieren. Das beschädigt die Kunstwerke!«, schreit er den Produktionsleiter an.
    »Aber ohne Nebel sieht man keine Laserstrahlen, dann stirbt die Show!«, gibt dieser aufgeregt zurück. Betty

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