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Herr Möslein ist tot (German Edition)

Herr Möslein ist tot (German Edition)

Titel: Herr Möslein ist tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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und ich war sauer.
    Panisch schaue ich auf die bereits komplett entkleideten Tänzer, die gerade von der Bühne in den abgedunkelten Zuschauerraum springen. Muss ich deswegen den blonden, sehr gut gebauten Jüngling, der soeben elegant auf den Tisch unserer lesbischen Leidensgenossinnen klettert, noch einmal erleben?, überlege ich. Damit ich am eigenen Leib spüre, wie langweilig Wiederholungen alter Geschichten sind? Der Jüngling kniet sich direkt vor die Gesichter der beiden männlich wirkenden Ladys. Sie kreischen spitz auf und wenden sich mit zugekniffenen Augen angeekelt weg. Ich finde das ausgesprochen gemein. Als ich es erstmals erlebte, tobten in mir ambivalente Gefühle. Neugier und Faszination kämpften gegen Fassungslosigkeit und die Sorge, was meine Mama dazu sagen würde. Heute würde ich am liebsten laut aufschreien: »Das kenne ich schon!«

Zum Abschied sag ich dir Goodbye
    Ich stehe, nach einer kurzen Nacht und einem leckeren Frühstück mit O-Saft und Rührei, in einer Telefonzelle. Endlich bekommt die Wiederholung der Hamburg-Reise einen Sinn. Ich habe gerade die Nummer von Brigitte Lummer gewählt, mir vorher genau überlegt, wie ich sie anreden würde, und mich für das förmliche »Sie« entschieden. Nach Carsten will ich nur mit seinem Vornamen verlangen, um eine vertrauliche Ebene zu demonstrieren. »Hier Lummer!«
    »Entschuldigen Sie bitte die Störung. Mein Name ist Tatjana Meissner. Könnte ich bitte den Carsten sprechen?«
    »Der ist nicht da«, tönt ihre irgendwie genervt klingende Stimme durch den Hörer.
    Immerhin weiß ich jetzt, dass er prinzipiell da ist. »Wann kommt er denn wieder?«, frage ich darum hoffnungsfroh. Mein schönes Westgeld fließt bei jeder weiteren Frage durch den Geldschlitz. Pling! Wieder 50 Pfennig weg. »Das weiß ich nicht. Soll ich ihm etwas ausrichten?«
    »Mhmh. Ich würde lieber persönlich mit ihm sprechen. Ist er denn auf Arbeit? Kann ich ihn dort erreichen?«
    »Ich kenne Sie doch gar nicht. Ich gebe Wildfremden nie eine Telefonnummer raus!«
    Pling! Langsam verzweifle ich an meiner misstrauischen Schwiegermutter. »Aber Ihr Sohn kennt mich doch.«
    »Nicht dass ich wüsste. Wissen Sie, wenn Sie ihn so gut kennen würden, dann hätten Sie ja wohl auch die Nummer seiner Arbeitsstelle!« Pling! Von meinen 20 DM sind schon 8 Mark einfach weg.
    »Sonst noch was?«, fragt Schwiemu knapp. Wieso ist sie so unbarmherzig? Mich befällt Selbstmitleid in einer Geschwindigkeit, die jeden klaren Gedanken verhindert und in mir alle Dämme brechen lässt.
    »Ja!«, rufe ich weinerlich in den Hörer. »Da ist noch was. Nämlich die Tatsache, dass Carsten die große Liebe meines Lebens sein wird. Und ich weiß genau, dass Sie mich dann nicht nur kennen, sondern sehr mögen werden. Viel mehr als alle anderen Schwiegertöchter, die sie jemals haben werden. Bitte geben Sie mir seine Nummer oder wenigstens den Namen des Restaurants, wo er arbeitet. Ich habe ihn doch nur vergessen.« Pling! Pling! Pling! Scheiß Ferngespräch! Ich heule vor Verzweiflung.
    »Junge Frau, dürfte ich Sie bitten, einen Moment zu warten?« Brigittes Stimme klingt jetzt förmlich. Im Gegensatz zu bisher Erlebtem fast freundlich. Ich wische mir mit dem Jackenärmel mein Gesicht trocken und frage: »Sie glauben mir?«
    »Natürlich. Warum sollte ich nicht?« Ich höre ein Rascheln am anderen Ende der Leitung.
    »Geben Sie mir die Nummer?«, will ich wissen.
    »Ja. Ich gebe Ihnen jetzt die Telefonnummer von Bonnies Ranch hier in Berlin.«
    »Oh!«, ich bin überrascht. Bonnies Ranch ist also der Name des Restaurants. Super. Pling! Pling! Pling! Ich suche schnell Zettel und Stift und schreibe mit.
    »Danke, liebe Frau Lummer, vielen Dank. Sie haben mir sehr geholfen! Tschüss!«
    Pling! Ich lege nur kurz auf, um die Westpfennige nicht ungenutzt in den Telefonapparat rutschen zu lassen, und wähle die Nummer von Bonnies Ranch. Noch habe ich 4,50 DM . Vielleicht kann ich mit Carsten sprechen und mich mit ihm verabreden. Ich bin so aufgeregt, dass ich mich zweimal verwähle. Endlich. Ich habe ein Freizeichen. Pling! »Hallo. Hier ist die Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin Reinickendorf, mein Name ist Schuster, wie kann ich Ihnen helfen?«
    Vor Schreck lege ich auf. Was hat die eben gesagt? Nervenklinik? Bonhoeffer? Ist das nicht die Klinik, die die Akten von Klaus Kinski veröffentlicht hat? Da sind doch Ende der Neunziger immer mal gefährliche Sexualstraftäter ausgebrochen. Ich muss mich

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