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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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kann, so will ich schon glücklich seyn und einzig für dich spiellen, denn – du mußt wissen, dich auskennen, Einblick haben, im bilde sein, kenntnüß haben, ahnen, fühlen, darauf gefaßet sein, und annehmen – für ganz wahrscheinlich halten, argwöhnen, vermuten und spekulieren, erahnen und dich nicht kujonieren, daß ich dich noch immer so lieb habe wie ehedem, als du meine beste, liebste und schätzenswerteste Anju, die ich immer verehren will – das kannst du mir nicht verdenken, sonst will ich mich aufhenken – für allezeit und in Ewigkeit sein wirst, mit vergnügen, ohne zu betrügen, so bin ich von nun an bis dann
    der nemliche mann
    Wolfgang M.
     
    meine allerbesten empfehlungen an unsere freünd den Achtbeiner und die flieg – macht sie dir noch immer ein concerten mit gebrumm – gesumm? – wo nicht, so will ich gern eylen und helfen und ihr die noten herschreiben, vielleicht – hat sie sie bloß vergessen!

Sanctus
     
    Sanctus, sanctus, sanctus
    Dominus,
    Deus Sabaoth.
Pleni sunt coeli et terra gloria tua.
    Hosanna in excelsis.
     
    Und so stand Wolfgang nur wenige Tage später auf der Bühne des Musikvereins und spielte brav eine Klaviersonate, allerdings nicht jene, die er hätte spielen sollen, sondern just dieselbe, die er Anju geschenkt hatte, hörte anschließend Applaus durch die weiße Wand des Scheinwerferlichtes dröhnen, verbeugte sich artig, legte beide Hände auf sein Herz und ließ sie einen Moment dort ruhen, bis es still wurde. Wieder am Flügel, ließ er in seiner Erinnerung Aloysias goldene Stimme auferstehen mit jener Arie, die ihr doch gepasst hatte wie keiner anderen. Nach und nach leitete er über und gedachte all seiner anderen Lieben, gedachte Paminas, Susannas, Zerlinas, Despinas. Constanzes, natürlich. Mit zarten Tönen, mal frivol, mal scheu, mal wehmütig, entsann er sich einer jeden mit dem ihr zugedachten Thema, vereinte sie in einem fulminanten Chor und endete jäh, inmitten eines donnernden Crescendos.
    Er pausierte ganze vier Takte, während der man den Atem der Zuschauer hätte hören können.
    Als er erneut einsetzte, mit kühnen, zukunftsweisenden Rhythmen, ließ er den Reigen der Frauen erneut auferstehen, diesmal jedoch als Basso im Hintergrund gleich einer beinahe vergessenen Kulisse, und webte dann, spinnenfein, Anjus Regenthema wie eine Lichtspur darüber.
    Wenn er aufschaute, sah er sie alle im Publikum sitzen, erst Constanze und Aloysia und endlich Mado, wie sie ihn verschmitzt über ihr Saxophon hinweg anstrahlte und ihm stets neue Ideen eingab. Nur Anju fehlte beharrlich, und sooft sein Blick zu dem leeren roten Stuhl in der vorderstenReihe ging, krampfte sein Herz. Als er geendet hatte, verharrte der Saal in greifbarer Stille, zwei, drei, vier Takte lang, bis ein einzelnes mutiges »Bravo« das Publikum aus einer verwirrten Trance riss. Der Beifall brandete wie ein Herbststurm auf die Bühne. Wolfgang erhob sich, fand ihn wieder, jenen Moment, auf den er gewartet hatte, jenen Moment, der ihn über alles erhob, den Moment des Erfolges, den Moment eiligen Glücks. Er spürte, wie der Atem seine Brust weitete, und doch blieb ein bitterer Geschmack, wann immer er zu dem leeren Stuhl hinuntersah.
    »Zugabe«, rief es immer wieder, »Bravo« und »Muster mann «.
    Wolfgang trat langsam an den Bühnenrand und wusste sofort, was er spielen würde. Er machte einen Bogen um das Mikrofon, verbeugte sich und begann zu sprechen. Augenblicklich wurde es still.
    »Ich bedanke mich vielmalen und will mit Freuden noch etwas spielen. Etwas, das bishero niemand gehöret hat – außer dem winzigen Kerl in meinem Ohr.« Er bohrte mit dem Finger in seinem Gehörgang. Ein paar Zuschauer lachten, und Wolfgang senkte seine Stimme. »Und welches ich jener verehrungswürdigsten Frau widmen will, die mich zu dem heutigen Konzert inspirieret hat.«
    Beharrlich schickte er seinen Blick durch den Raum, doch sie war nirgends zu sehen. Mit engem Herzen nahm er erneut am Flügel Platz und erzählte die Geschichte von Anju und ihrer Liebe, von der er allzu kurz nur hatte kosten dürfen. Und als könne er sich damit selbst strafen, versagte er sich dieses Mal die Tröstung, ja, modulierte gar nach es minor und ließ die tiefe schwere Tonart, die Trauer über alles Verpasste, ohne jede Auflösung.
    Als er geendet hatte, war die Beklemmung im Saal greifbar. Er verbeugte sich rasch, schluckte an seinen Tränen und verließ die Bühne.
***
     
    Anju zitterte. Es war still jetzt, nur

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