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Herr Tourette und ich

Herr Tourette und ich

Titel: Herr Tourette und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelle Sandstrak
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erledige, wird er Zeitung lesen.

    Er sagt es so, wie es ist:

    »Sie werden eine Hölle durchleben, aber Sie sind in sicheren Händen.«

    Diese Aufrichtigkeit motiviert mich zu duschen.

    Es dauert eine Stunde, die Türschwelle zum Badezimmer zu überqueren. Eine halbe Stunde später stehe ich nackt unter fließendem Wasser. Doch. Es fühlt sich erstaunlich an. Fließendes Wasser auf nackter Haut. Ich erinnere mich nicht, wann ich das letzte Mal so dastand. Es fühlt sich an wie die erste Dusche meines Lebens. Und ich stehe einfach da, gerade, lasse das Wasser den Körper nassregnen, die Leopardenflecken und den Nabel und den Gestank ertränken. Ich stehe einfach da, den Kopf an die Wand gelehnt, den Duschkopf vor dem Gesicht. Die Lippen zittern, der Körper bebt. Ich habe Angst, dass jemand in den Duschraum kommen könnte. Ich habe Angst, dass jemand in den Duschraum kommen und mich auf frischer Tat ertappen könnte – und einen erwachsenen mageren Mann sehen würde, der unter der Dusche steht und wie ein Kind weint.

    Ein Teil meines Lebens ist zu Ende, als ich in die Dusche gehe.

    Drei Stunden später komme ich wieder raus.

    Mindus sitzt ein paar Meter entfernt in einem Sessel und liest den Göteborgs-Posten .

    Und dann geht das Leben weiter.

Teil 3

Die drei Böcke mit Namen Bruse

    Früher kämpfte der Zufall gegen mich, stets siegte er und verpasste mir eine Abreibung. Aber jetzt passieren erstaunliche Dinge – der Zufall spielt mir plötzlich in die Hand und scheint mich auch noch zu mögen. Um das Durcheinander in meinem Kopf in Worte zu fassen, hilft mir das Märchen von den drei Böcken mit Namen Bruse, die zu ihrer saftigen Weide über eine Brücke gehen müssen, unter der ein schrecklicher Troll haust. Der kleinste Bock geht voraus, und als der Troll ihn fressen will, sagt er: »Nein, warte doch, nach mir kommt ein Größerer.« Als dann der mittlere Bock kommt, sagt auch er zum Troll: »Nein, warte doch, nach mir kommt ein Größerer.« Und der Troll kann den Hals nicht voll kriegen, also wartet er auf den größten Bock, der dann aber kräftig genug ist, um den Bösewicht ins Wasser zu stoßen.

    Der erste Bock Bruse

    Nur ungefähr ein Jahr, nachdem mein Vater und ich unseren missglückten Besuch bei Doktor Brezel unternommen haben, bekommt Mindus zufällig eine Stelle in Trondheim. Er kommt mit einer Forschungsgruppe dahin, die er später übernimmt. So wird er einer der führenden europäischen Wissenschaftler in Sachen OCD – Obsessive Compulsive Disorder, Zwangsstörung. Später gründet er dann die legendäre schwedische Vereinigung »Ananke«. Ich gehöre zu Mindus’ Forschungsprojekt. Aber ich muss nicht erforscht werden, ich brauche Hilfe, akute Hilfe. So gehe ich als anonymer Patient in sein laufendes Projekt ein. Und das ist die Begründung dafür, dass ich im Karolinska aufgenommen werde. Er sieht die Zwänge als das eigentliche Problem an:

    »Die Zwangsgedanken und die Zwanghandlungen sind es, die Sie zu siebenundneunzig Prozent behindern, nicht die Tics. Die Tics werden Sie niemals töten, sondern nur nerven – Sie und andere.«

    Er beginnt damit, mich im Hinblick auf einen möglichen psychochirurgischen Eingriff zu untersuchen. Die sogenannte Kapsulotomie wird pro Jahr bei einigen wenigen Patienten durchgeführt, und dies mit recht gutem Erfolg. Sie wird bei Patienten durchgeführt, die durch Zwänge invalide geworden sind und bei denen nichts anderes geholfen hat. Er beschließt, keinen Druck zu machen, und wartet mit der Entscheidung über die Operation. Ich bin zu jung, und ich habe noch nichts anderes versucht. Mindus ist ein vielbeschäftigter Mann, aber er findet trotzdem Zeit. Vielleicht betrachtet er mich als den Oberfreak, aber das ist mir egal, ich fühle mich, ungeachtet meiner Freakigkeit, immer in seinem Büro willkommen.

    Jetzt tun mir immer mehr die Zähne weh, und ich habe Kopfschmerzen. Aber ich wage nicht, Mindus davon zu erzählen, ich habe Angst, dass er dann sein Skalpell rausholt und mir ins Gehirn schneidet. Ich bin immer noch sehr krank. Ich kann nicht in ein Lebensmittelgeschäft gehen und mich dort einfach bewegen. Das traue ich mich nicht, weil das Risiko zu groß ist, dass ich steckenbleibe oder mich wahnsinnig ticse. Also kaufe ich immer noch Rippchen und Knäckebrot, es gibt so viele andere Dinge, unter denen man wählen kann, aber es ist, als könnte der Körper gerade jetzt nichts anderes vertragen. Und ich will ja einfach nur satt

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