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Herr Tourette und ich

Herr Tourette und ich

Titel: Herr Tourette und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelle Sandstrak
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wieder ins Zimmer. Panik. Zucken im Bauch, Geräusch – der Spiegel landet in der Tasche. Johan Gestapo sieht sich um:

    »Der Spiegel, Elsie, wo ist denn der Spiegel hin?«

    Und Elsie muss wieder zum Schrank und neue Spiegel holen.

    Johan Gestapo schaut in meinen Mund, ohne Spiegel. Er schaut, und ich weiß sehr wohl, dass er, nur um zu provozieren, nach Löchern sucht, die es nicht gibt. Ich weiß auch, dass er schlimmer stinkt als alter gekochter Blumenkohl. Er schaut weiter, betrachtet meine Zähne, als wären sie einer seiner weniger großartigen Lachse. Seine Augen bewegen sich vor und zurück, hoch und runter. Er hat grüne Augen, die dunkelgrünen Ventile einer F-16. Seine Zunge folgt den Bewegungen der Augen. Er parkt seine Nase nur wenige Zentimeter von meiner Nase entfernt. Er sieht wirklich so aus wie Meisterdetektiv Agaton Sax aus dem Comic, von dem alle glauben, er sei ein Dieb, nur weil er zufällig so eine extrem spitze Nase hat.

    »Die Spiegel«, sagt Elsie und legt sie mit chirurgischer Präzision nebeneinander auf das Instrumentenbrett. »Mach den Mund auf«, sagt sie dann zu mir.

    »Agaton Sax«, bestätige ich.

    »Wer?«, fragt Agaton selbst.

    »Boeing 747«, antworte ich.

    Agaton Sax sucht weiter im Mund herum und bereitet sich auf den großen Bohrangriff vor. Die Zunge bewegt sich nicht mehr so eifrig. Sie zirkuliert nur zu Beginn des Zahnarztbesuchs, da schnellt sie auf und ab, auf und ab. Sicher ist das eine Art Aufwärmübung, die er absolvieren muss, um das eigentliche Problem zu lösen. Das Problem, das in zehn von zehn Fällen »Loch« heißt. Elsie weist mit ernster Miene darauf hin, dass ich Milch trinken müsse, um Kalk in den Körper zu bekommen. »Ich kann keine Milch trinken, ich bin allergisch«, erfinde ich. Elsie würde die Wahrheit sowieso nicht glauben, dass nämlich Milch nur ein vornehmes Wort für Kuhpisse ist, die aus den Kühen gemolken wird, die gelben Schnee fressen.

    Ich habe keine Ahnung, was Johan Gestapo da in meinem Mund macht, aber es scheint nichts Ernstes zu sein. Vielleicht rechnet er den Bohrwinkel aus, wo er reingehen kann, wie lange er bohren wird, die Kraft, die der Bohrer braucht. Ich weiß, dass während er die zahntechnischen Berechnungen anstellt, vor seinem inneren Auge der Lachs seinen Double-Wobbler-Köder schluckt, dann zieht er ihn rein, er gleitet ins Boot, sieht die Läuse, die sich auf dem weißen Bauch festgesetzt haben, die blanken Augen, die erste Seite in der Lokalzeitung: »Bezirkszahnarzt hat den ersten und größten des Jahres.«

    Ich krieche wieder in Engine 4 und suche nach Ritzen im Motorenblock, horche auf Geräusche, die nicht dort hingehören, suche nach ermüdetem Material. Solch ein Beobachtungsauftrag kann ohne weiteres ein Flugzeug vor einem Motorenschaden retten. Die Arbeit muss mit der größten Aufmerksamkeit, ruhigem Sinn und Verantwortungsgefühl durchgeführt werden. Eigentlich gehört sie nicht zu den Aufgaben des Piloten, aber ich finde es trotzdem bestechend, die Grundfunktionen der Jetturbine zu kennen. Im Hintergrund ruft jemand. Ich höre nicht, also ruft die Stimme lauter: »Ausspucken.« Ich spucke aus. »Ins Becken«, wiederholt die Stimme. Während Johan Gestapo sich die Spucke von seinem Zahnarztkittel und dem südlichen Teil seines Bartes wischt, wechselt Elsie die Serviette aus. Die Situation geht wie folgt weiter:

    »Mach den Mund auf«, sagt Elsie.

    (Seine Finger sehen aus wie Wildschweinkacke.)

    »Mach den Mund auf«, sagt Johan Gestapo.

    (Wie können seine Finger nur wie Wildschweinkacke aussehen?)

    »Ich habe doch grade erst ausgespuckt«, antworte ich.

    »Du hast auf meinen Kittel gespuckt, nicht ins Becken. Jetzt mach den Mund auf.«

    »Wildschwein…«

    »Was hast du gesagt?«

    »Nichts.«

    »Was hast du gesagt?«

    »Das war nicht ich, das war die Möw…«

    »Mach den Mund auf.«

    Johan Gestapo beugt sich vor und nimmt den Superbohrer vom Halter. Verdammt. Elsie setzt sich auf meine rechte Seite, wieder soll der Speichelsauger in den Mund. Ich mache den Mund genauso weit auf, dass der Sauger sich hineinschlängeln kann. Den Superbohrer hingegen will ich nicht in meinem Mund brummen haben, das Geräusch lässt mich nur an geile Köcherfliegen denken, ein ewiges Brummen und Ficken. Johan Gestapo verliert jetzt langsam die Geduld. »Das kann doch nicht so schwer sein«, sagt er und fährt gleichzeitig meinen Stuhl herunter, so dass ich in liegender Position lande und direkt in den

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