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Herr Tourette und ich

Herr Tourette und ich

Titel: Herr Tourette und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelle Sandstrak
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die Möwe gesagt?«, fragt Papa.

    »Was?«

    »Was hat die Möwe gesagt, als sie Oskar angegriffen hat?«

    »Die Möwe hat gesagt, dass … dass Salami gefährlich ist … dass Salami total verboten werden müsste.«

    »Aber wir können doch Oskar nicht verbieten, Salami auf dem Brot zu haben«, sagt Mama.

    »Doch.«

    »Und wie soll das gehen?«

    »Macht es durch die Politik … Stiftet ein neues Gesetz, das besagt, dass Salami von heute an im ganzen Land total verboten ist. Und dass derjenige, der trotzdem Salami auf dem Brot hat, bestraft werden soll … mit dem Tode bestraft … er soll kopfüber erhängt werden und angespuckt werden, wie sie es mit Mussolini gemacht haben.«

    Ich esse Kartoffeln und Wurst, wie ich es noch nie zuvor getan habe. Die ganze Mahlzeit lang habe ich das Gefühl, dass Mama und Papa mich anschauen. Aber sie fragen nicht weiter, sie haben aufgegeben, ich habe gewonnen, yes Sir . Mama durchbricht die Stille:

    »Wann ist denn nun die Versammlung der Lachsangler heute abend?«

    »Um acht«, antwortet Papa.

    Der Impuls übernimmt, noch ehe ich das letzte Stück Wurst runterschlucken kann:

    »Um sieben fängt es an«, sage ich.

    »Um sieben?«, fragt Papa.

    »Genau … ich soll einen schönen Gruß vom Rektor bestellen und sagen, dass eure Versammlung um sieben anfängt und nicht um acht.«

    »Einen schönen Gruß vom Rektor?«, fragt Papa.

    »Genau.«

    »Dann warst du heute also beim Rektor?«

    »Das … das war nicht ich.«

    »Wer war es dann?«

    Zucken im Bauch .

    »Die Möwe«, sage ich und bin schon wieder auf dem Weg in mein Zimmer.

Ich weiß, wo du wohnst

    (1978, Herbst) Der Schulzahnarzt heißt Johan Gestapo. Er geht mit dem Bohrer um, als handele es sich um einen seiner eigenen so sehr geliebten Double-Wobble-Köder. Und das sehe nicht nur ich so, sondern alle im Dorf. Eine Stunde im Zahnarztstuhl unter dem Kommando von Johan Gestapo – näher kann das Dorf einer ethnischen Säuberung nicht kommen. Und ethnische Säuberung ist hier mit zahnhygienischer Reinigung identisch, die im schlimmsten Fall mit einer Nachkontrolle in der Hölle von Johan Gestapo enden kann. Ich habe vergessen, wie Johan in Wirklichkeit mit Nachnamen heißt. Den Namen Gestapo gab ihm Ove, der Südsame, nachdem die ganze Schule während der »Operation Tagwerk« in der Sporthalle zusammen den Informationsfilm »Holocaust« gesehen hatte. Doch Johan Gestapo scheint sich selbst nicht darüber im Klaren zu sein, dass jeder Mensch, der sich in seinen elektrischen Stuhl setzt, mindestens fünfundvierzig Minuten lang seinem Blick, seinem Stöhnen und seinem Atem ausgesetzt ist. Mama sagt, es sei nicht die Schuld von Johan Gestapo, dass er nach zu stark gekochten Kohlrüben stinkt, sondern es läge an der Diabetes und er könne nichts dagegen tun.

    Auf dem elektrischen Stuhl von Johan Gestapo werden alle stumm und regungslos, wenn seine linke Hand langsam und planvoll seinen Lobotomierungsbohrer auf den Mund zuführt, so langsam und so kontrolliert und brutal, dass wir ein für alle Mal wirklich begreifen werden, dass man dem König der Zahnärzte ernst, bedeutsam und mit Respekt begegnen muss. Alle hassen die Situation, alle sind sich einig über das Grauen der Situation, jeder würde mehr oder weniger freiwillig diese Lage im Zahnarztstuhl gegen fünf Minuten in der Kloschüssel des Lehrerzimmers nach irgendeinem Salamimittagessen tauschen.

    Ich mag die Situation.

    Für mich beginnt es schon, wenn Johan Gestapos Assistentin Elsie an die Tür des Klassenzimmers klopft. Sie klopft immer zweimal, immer mit ein paar Sekunden Pause zwischen jedem Klopf. Klopf . Einundzwanzig, zweiundzwanzig. Klopf . Dann macht sie die Tür vorsichtig auf, mit chirurgischer Präzision, wie nur Zahnarzthelferinnen es können. Schweigen. Völliges Schweigen. Alle im Klassenzimmer verwandeln sich in Schildkröten – ziehen den Kopf ein, schauen in die Bücher, akutes Interesse an Mathematik. Elsie sieht sich im Klassenzimmer um, ihr Blick wandert von Bankreihe zu Bankreihe. Der Geruch von ihrem weißen Kittel, den sie unter ihrem gewöhnlichen braunen, gefütterten Mantel zu verbergen versucht hat, schleicht sich wie Giftgas ins Zimmer, wie ein erster Gruß von Johan Gestapo. Ich schaue Elsie an, lächele, nicke, will sie daran erinnern, dass es mich gibt, dass ich darauf warte, an der Reihe zu sein. Aber Elsie sucht jemand anders. Sie späht durch den Raum, kneift die Augen zusammen, atmet tief ein und spricht dann

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