Herrchenjahre
Düsseldorf. Über dem Grafenberger Wald, über Gerresheim, über der T-Bar. In der T-Bar ist die Sicht auch nicht besser. Die wurde nach dem neuen Kneipenrauchverbot umgehend in einen Raucherclub umgewandelt, deren Mitglieder tapfer Freizeit, Gesundheit und Finanzkraft opfern, um die Kultur des Tabakgenusses zu erhalten.
Warum wir hier seit Jahren unseren kleinen Fünferstammtisch abhalten, obwohl keiner von uns raucht – außer Juppi, und der nur mäßig -, liegt an den Tapas. Die werden von der nichtspanischen Mutter des nichtspanischen Wirts, der man eigentlich nur Kohlrouladen zutrauen würde, zubereitet und sind die Leckersten der Stadt.
Dazu trinken wir kein Alt und planen unsere Toskana-Woche.
Walter, Peter, Ralf und Juppi kennen sich schon seit vier Jahrzehnten. Ich bin erst seit zwanzig Jahren im Boot, quasi der Späteinsteiger. Die Toskana-Woche ist unser Heiligtum.
Jedes Jahr im Mai quälen wir den Bulli eintausenddreihundert Kilometer über die Autobahn in den Süden und besetzen in Campiglia d’Orcia, südlich von Siena gelegen, eine Woche lang ein Turmhäuschen aus dem achtzehnten Jahrhundert. Auf der Terrasse mit weitem Blick über das Orcia-Tal lösen wir die Probleme dieser Welt im Alleingang, verkosten
die Weine der Region, servieren dazu passende Grappas und beschäftigen uns mit allerlei lebenswichtigen Fragen. Ob man alles genauso machen würde, wenn man nochmal von vorn anfangen könnte, und ob man denn in die Toskana zöge, wenn man genug Geld hätte, und wie viel Espresso wohl noch im Küchenschrank ist. Endvierziger-Midlife-Crisis-Gespräche eben, Träumereien im Konjunktiv.
Frauen sind nicht dabei. Mit einer Ausnahme.
»Kommt Luna dieses Jahr wieder mit?«, fragt Walter und schnappt sich das letzte der Ziegenkäsebrutzelspeckpäckchen mit dem komplizierten spanischen Namen.
»Ja«, sage ich.
»Wie weit seid ihr denn erziehungstechnisch?«
»Wir klickern nicht mehr, wir machen jetzt heititei.«
Ralf und Peter nicken zufrieden. Das letzte Jahr hat die Klickerei ziemlich genervt. Knick Knack . Die Kettenhunde in der Nachbarschaft wurden schier verrückt. Italienerinnen auf Fensterkissen guckten seltsam. In Siena am Brunnen starrten uns ganze Schulklassen an, die eigentlich auf Kunstfahrt waren. In dem ein oder anderen Besinnungsaufsatz werden wir wohl erwähnt sein. Mein außerirdisches Kunstfahrterlebnis oder so ähnlich.
»Wir klickern nur noch, wenn wir doofe Tricks einstudieren, die keine Sau braucht«, sage ich. »CD-Player bedienen, Briefkasten aufmachen und so. Ansonsten lehnen wir jegliche Härte ab, weil sie Meideverhalten erzeugt, und arbeiten mit Säuseln und positiver Bestärkung. Heititei eben.«
»Säuseln ist immer gut«, sagt Juppi. »Vor allem nach toskanischen Weinproben.«
Walter lallt: »Luunihuuni, ma ma sisss. Soooooser fein.«
»Klingt gut«, sage ich. »Ich sollte dir den Hund mal eine Woche überlassen.«
»Mach das«, sagt Ralf. »Walter ist Controller. Da kann nichts schiefgehen.«
»Zumindest würde er eine ordentliche Excel-Tabelle hinkriegen und Maßnahmen daraus ableiten«, sagt Peter.
»Genau«, sage ich. »Am Schluss klickt man auf Daten sortieren und dann kommt heraus, dass Luna ein unsicherer Hund ist, und was man am besten tun sollte, um ihr unterwegs ein Gefühl der Sicherheit zu geben.«
»Panzer fahren«, sagt Juppi.
Schon in unseren ersten Heititei-Tagen wird mir klar: Krawallmäuse sind mit guten Worten nicht von Schlägereien abzubringen und mit Milde kaum zu besänftigen. Verbaler Wattebauschweitwurf in Reizsituationen will gelernt sein. Dabei stellt sich heraus, dass wir Männer rein stimmlich überhaupt nicht in der Lage sind, einen Hund vernünftig zu lenken.
Das Problem mit uns Kerlen ist, dass wir die Kommandos so tonlos durch die Gegend brummen. Die armen Viecher können den Unterschied zwischen Nein und Fein kaum heraushören. Sagen die Frauen. Ihre Empfehlung lautet ganz klar: Je heller das Lob, desto besser für den Hund.
Immer gut kommt ein ekstatisches Feiiin gefolgt von einem tirilierenden Supisupisuuupiii . Es darf gerne auch ein quiekendes Feiiine Maus durch den Stadtwald schallen, allerdings sollte daraufhin nicht ein siebzig Kilo schwerer Molosser durchs Geäst brechen. Die Proportionen müssen gewahrt bleiben.
Um im Forst derart albern herumzuhupen, fehlt mir der Mut. Vielleicht bin ich auch einfach noch nicht bescheuert genug.
Einer – oder besser gesagt: eine – dieser Feiiin-Supisupisuuupiii- Krauses
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