Herrchenjahre
erwischt uns bei den Dobis im Neandertal. Wo sonst! Luna und ich erleben gerade unser drittes Waterloo in dieser Woche.
»Bleiben Sie ruhig«, säuselt sie auf mich ein, während ich mit der aufgebrachten Krawallmaus an den beiden hinter Gittern tobenden Mistbienen vorbeiziehe. »Ihre Körpersprache ist entscheidend. Nur die Ruhe jetzt. Ich zeige Ihnen mal was.«
Luna, die innerhalb einer Zehntelsekunde auf hundertachtzig ist und genauso schnell wieder auf null, sitzt neben mir und guckt mich erwartungsvoll an. Die Ruhe selbst. Dreißig Meter hinter uns regen sich die Dobermänner langsam wieder ab.
Stille kehrt ein.
Brauche ich denn jetzt noch Tipps von einer dahergelaufenen Schlaftablettendackelhalterin, die mein Problem noch nicht einmal im Ansatz versteht?
Ich kann wieder mal nicht Nein sagen.
Sanft parkt sie ihren Rauhaardackel neben Luna und legt los.
Ich müsse meinem Hund signalisieren, dass ich alles im Griff habe. Sie führe mich jetzt durch die Situation, in drei Minuten hätte sich das Problem zur Gänze erledigt. Und zwar soll ich strotzend vor Selbstvertrauen erstmal alleine an den Dobis vorbeigehen. Mein Hund bleibe derweil bei ihr sitzen und sehe mir dabei zu. Nach dieser Maximalsicherheit ausstrahlenden Demonstration könne ich den Hund zu mir rufen. Er wisse nun, dass von den Dobis keine Gefahr ausgehe, der daraus resultierende Stress sei wie weggeblasen, der Hund könne entspannt und freudig zu mir kommen. Sobald er da sei – aufgepasst jetzt, das sei mit das Wichtigste bei der
Übung – solle ich ein Feiiin-Supisupisuuupiii- Freudenfest veranstalten, wie es noch nie da gewesen sei. Man müsse auch mal aus sich heraus gehen.
Ich sehe mich verstohlen um, ob die Luft rein ist. Das fehlte noch, dass bei dieser Nummer ein Bekannter daherwalkt, der alles brühwarm der Szene erzählt.
Keiner da. Ich schreite los.
Absoluter Imponiergang, beinahe schon königlich. Ich werfe milde, unbeeindruckte Blicke ins Dobermanngehege, wo die Herrschaften erneut versuchen, schmiedeeiserne Gitterstäbe zu zerbeißen, um meiner habhaft zu werden. Meine Haltung ist unmissverständlich. Kommt nur her, ihr könnt a) mir gar nichts und b) mich mal.
Nachdem ich das Inferno zügig passiert habe, halte ich an und drehe mich um. Luna hat alles gesehen, mit hochgestellten Ohren und erstauntem Blick.
So einfach ist das? Unglaublich.
»Das haben Sie sehr gut gemacht«, röhrt Feiiin-Supisupisuuupiii- Krause aus der Distanz. »Rufen Sie jetzt mal Ihren Hund.«
Ich gehorche aufs Wort.
»Luna, hier!«
Was für eine Freude! Luna saust los, voller Erwartung auf den Leckerchenregen. Der Kies spritzt, der Hund hüpft, selig der Halter, der seine Sorgen am Horizont entschwinden sieht.
Von wegen!
Zehn Meter vor mir, in Höhe des Dobermanntores, beschließt Luna, mal kurz Tacheles zu reden. Sie biegt ansatzlos ab und galoppiert zu den Bestien ans Tor. Dort angelangt will sie, Kopf schief gelegt, Zähne gefletscht, unter dem Tor durch, geradewegs durch diesen fünf Zentimeter hohen
Spalt über dem Boden, wo die beiden Dobermannschnauzen keifen und nach meiner schnappenden Trine schnappen. Da ich keine Lust habe, blutige Hundenasen zu verarzten, stürze ich hinterher und ziehe die Krawallmaus am Schwanz aus dem Schlamassel.
»Und jetzt?«, frage ich, nachdem langsam wieder Ruhe im Wald einkehrt.
»Ja, äh«, macht Feiiin-Supisupisuuupiii- Krause.
Luna und ich sagen artig »Schönen Tag noch« und schlurfen, um ein Anekdötchen reicher und sehr nachdenklich, nach Hause.
Am schlimmsten sind die Krauses, die erstmal behaupten, eine wie auch immer geartete Hundemacke sei innerhalb kürzester Zeit zuverlässig zu beseitigen. Ohne den Hund auch nur gesehen zu haben, trompeten ihre Webseiten sofortige, dauerhafte Lösungen und postwendend umgelenktes Problemverhalten in die weite Hundewelt hinaus. Bei den einen ist der Käse nach fünf Minuten gegessen, bei den TV-Krauses kann es je nach Sendeformat auch schon mal ein halbes Stündchen dauern.
Mehr nicht. Auf gar keinen Fall!
Meine Hündin und ich kommen uns dann immer so klein und naiv und saumselig und vor allem doof vor. Hasen hetzen, Katzen jagen, Hunde ankeifen – wir schuften monatelang an unseren Erziehungsbaustellen. Jeder Spatenstich eine schweißtreibende Angelegenheit! Wenn der Aushub groß genug ist, kommt irgendein Idiot daher, schüttet alles mit dem Bagger zu, und wir fangen wieder von vorne an.
Manchmal bin auch ich der Idiot.
An ein halbes Stündchen
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