Herrchenjahre
von eher zarter Statur.
»Brüllen ist Mist«, sagt sie. »Aber nicht wegen der Leute. Da ist es sowieso egal, was man macht. Wie man’s macht, ist es verkehrt.«
Lobo ist zwölf Jahre alt, wiegt runde hundert Pfund und ist der gutmütigste Hund, den ich jemals das Vergnügen hatte kennenzulernen. Ein Brocken von einem Lamm. Dummerweise ist er Rottweiler. Diese Rasse kennt die Menschheit
aus der Bildzeitung. Auch der Rottweilermischling kommt in Schlagzeilen immer gut, selbst wenn es sich nur um einen Senfhund handelt, dessen fünfhundertzwölfter Teil eines halben Gens vor hundertfünfunddreißig Jahren im Oberschwäbischen zwei Rinder vom Markt zum Metzger trieb.
Ich schätze Rottweiler sehr wegen ihres Langmuts, ihrer Familienfreundlichkeit, ihrer Anhänglichkeit und ihrer unendlichen Geduld. Lobo ist ein Prachtkerl. Trotzdem hat sein Frauchen nur Ärger. Aber nicht mit ihm, sondern mit denen, die ihr unterwegs entgegenkommen. Im Grunde kann sie machen, was sie will.
Nimmt sie Lobo ganz kurz, kriegt sie zu hören: »Puh, das muss ja ein aggressiver Kerl sein, wenn Sie den so kurz fassen müssen.«
Lässt sie ihre Zwei-Meter-Leine lang, heißt es: »Sie da, nehmen Sie mal Ihren Hund kurz. Das ist doch ein Rottweiler.«
Frau Lemke weiß, dass sie einen lieben Kerl hat und dass sie sich nicht in Luft auflösen kann. Sie trägt es mit stoischer Ruhe, hat schon alles gehört und alles gesehen. Es gibt kaum einen Zeitgenossen, der sie noch überraschen kann.
Einem gelingt es aber doch.
Der forsche Herr mit Wanderstab und Knickerbocker kommt ihr strammen Schrittes entgegen.
Frau Lemke sagt: »Lobo, bei Fuß.«
Der Herr reagiert denkwürdig.
»Bei Fuß? Hallo, Beifuß ist doch ein Küchenkraut. Sie können in der Hundeerziehung nicht einfach jedes x-beliebige Wort verwenden. Es gibt Gesetze, die Ihnen vorschreiben, wie Sie mit Ihrem Hund zu reden haben.«
»Und?«, fragt mich Frau Lemke. »Was fällt Ihnen dazu ein? Ganz genau. Nichts.«
Ich zucke die Achseln und stelle mir vor, wie demnächst die neue Hundeerziehungs-Sprachgestaltungs-Verordnung (HuSpV) im Bundestag diskutiert wird: Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herrn, der sprachlichen Diffamierung von Küchenkräutern durch ignorante Kampfhundehalter muss Einhalt geboten werden. Das sind wir in Zeiten der Krise unseren Wählerinnen und Wählern schuldig.
»Vielleicht sollten Sie das nächste Mal Liebstöckel rufen, Frau Lemke«, sage ich.
»Oder sonst so ein bescheuertes Küchenkraut«, brummt sie noch und macht sich mit Lobo auf den Weg nach Hause.
Das Schnauze-halten-Gedöns
Bei Fuß! Sal bei! Basilikum? Liebstöckel? Es soll ja Krauses geben, die exakt bei dieser sprachlichen Verwirrung ansetzen. Man habe im Laufe der Jahre völlig falsche Verknüpfungen etabliert, sagen sie, und solle besser mal eine Zeit lang komplett die Schnauze halten. Dann renkt sich alles ein.
Warum nicht, denke ich. Wenn Heititei die nicht funktionierende Mitte ist und Hardliner-Gegröle das nicht funktionierende Rechts, dann ist Schnauze halten vielleicht das ein bisschen funktionierende Links am gegenüberliegenden Ende des Erziehungsspektrums.
Immerhin hat sich ignorieren in der Vergangenheit auch als recht effiziente Methode erwiesen. Während der Zeit unseres großen Scheff-Schlamassels war es eine der wenigen Methoden, die funktioniert haben.
Viele Menschen jammern zwar, ignorieren sei gemein. So süß, wie der einen anguckt, herrje, so was Niedliches könne man doch nicht links liegen lassen. Doch, kann man! Wer einmal miterlebt hat, wie eiskalt ein Hund rangniedrige Kinder abperlen lässt, denkt anders darüber.
Sprachlos klingt jedenfalls schon mal nicht schlecht.
Zumindest sollte ich Schnauze halten mal googeln.
Es heißt natürlich nicht Schnauze halten . Es heißt sprachloses Hundetraining . Oder ganz präzise: Speechless Dog Training. Englisch wirkt gleich viel dynamischer. Sicherheitshalber
haben die Herrschaften noch ein System daraus gemacht: Speechless Dog Training System. Das kann man prima zu S.D.T.S. abkürzen. Abkürzungen verkaufen sich besser.
Ein anerkannter TV-Krause hat ein anderes System, sagt Google, und listet das ebenfalls prima abgekürzte Dog Oriented Guiding System D.O.G.S. auf. Immerhin hundeorientiert, denke ich, aber halt auch ein System.
Die Antwort auf meine Hundefragen müsste doch eigentlich lauten: Wir schauen, wie deine Hündin tickt, und überlegen gemeinsam, was zu tun ist. Erfolgreicher im Markt scheint aber
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