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Herrchenjahre

Herrchenjahre

Titel: Herrchenjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frey Dodillet
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Probleme multiplizieren und sich dann den Angstschweiß von der Stirn wischen. Jede Rasse hat eine Macke – fertig ist die Panikattacke!

    Raffiniert eingefädelt. Wenn man auf diese Weise alles, aber auch alles in die Tonne gehauen hat, bleibt einem ja gar nichts anderes übrig als Nichtstun und Schnauze halten.
    Diese Form der Hundeerziehung funktioniert im Wesentlichen so:

Sehe was Böses, höre was Böses, sage nichts Böses.
    Eigentlich eine wunderbare Alternative zum Gebrüll. Jegliches unerwünschte Verhalten quittiert man einfach mit stummer Verzweiflung.
    Der Hund zerrt an der Leine? Kein Problem. Leine ganz kurz nehmen, losmarschieren. Wenn der Hund zieht, nichts sagen. Sobald die Leine entspannt durchhängt, Leckerchen in die Futterluke stopfen.
    Der Hund gebärdet sich leinenaggressiv? Keine Sorge. Einfach kommentarlos warten, bis er mit dem Ausflippen fertig ist. Sobald er einen wieder ansieht, Leckerchen reinwerfen.
    Innerhalb weniger Stunden, so das wohlklingende Infomaterial, habe man Erfolg. Es handle sich um eines der effektivsten Trainingssysteme überhaupt. Wer selber P.H.T. werden wolle, könne sich im gebührenpflichtigen Dreitagesseminar qualifizieren.
    So weit will ich es nicht treiben.
    Aber einen Versuch ist es immerhin wert.

    In den folgenden Wochen wandere ich mucksmäuschenstill durch unsere Reviere und schweige wie ein Besessener. Luna flippt unter dem Biergartentisch aus, dass der Kies spritzt und der Nachbardackel grunzt.
    Ich bleibe stumm.
    Luna pöbelt den neuen Postboten über eine komplette Gartenzaunlänge an.
    Ich sage nichts dazu.
    Luna trabt am Fahrrad. Die Leine spannt. Ich bleibe still stehen. Die Leine lockert sich. Ich schmeiße eine Runde Hundekuchen
und radele weiter. Die Leine spannt. Ich bleibe still stehen. Die Leine lockert sich … es sind die längsten vier Kilometer meines Lebens.
    Luna krakeelt das arme Flöhchen in Grund und Boden, einen kleinen Terrier, der sich immer freiwillig auf den Rücken wirft, selbst wenn wir noch fünfzig Meter weit weg sind.
    Ich schweige.
    Luna entdeckt in der Ferne einen Hasen und startet durch.
    Ich beiße mir auf die Lippe, bis sie blutet.
    Relativ kurz hintereinander haben folgende dramatische Vorkommnisse Premiere: Luna pflaumt ihren ersten Jogger an, ihren ersten Haflinger, ihren ersten Mountainbiker und ihren ersten Nordic Walker.
    Ich spreche es nicht aus, ich denke es nur:
    Das hat sie ja noch nie gemacht.
    Luna jagt Nachbars Katze auf den Baum und bleibt drunter sitzen, bis die Katze grau wird – also bis nachts.
    Luna frisst Pferdeäpfel. Ich warte stumm, bis sie damit fertig ist und mich aufmerksam anschaut. Fürs Anschauen nimmt sie ein Leckerchen in Empfang und macht sich sofort über den nächsten Pferdeapfel her.
    Ich zweifle, ob ich auf dem richtigen Kurs bin. Luna zweifelt nicht. Sie findet den Kurs klasse. Ist er aber nicht! Völliges Blech ist er. Es bleibt nämlich alles beim Alten, und manches wird sogar noch schlimmer.

    Sechs Wochen bin ich sprachlos. Dann verliere ich die Nerven.
    An der Esso-Tankstelle in Haan-Gruiten schreie ich herum.
    Auslöser ist natürlich nicht mein Hund, sondern eine erboste Dame, eine ältere Frau, Marke: Ich habe mit meiner
Griesgrämigkeit alle netten Menschen aus meinem Leben verjagt und praktiziere jetzt aktiven Tierschutz, da werde ich wenigstens nicht so enttäuscht.
    Luna und ich haben unsere wöchentliche Fünfzehn-Kilometer-Tour durchs schattige Neandertal absolviert. Es ist bereits halb sieben, angenehm abendkühl. Luna hat ausgiebig in der Düssel gebadet. Ich hingegen nicht. Ich habe Durst. Wie Luna triefnass vor der Tankstelle steht und ich ausgetrocknet den Shop nach kalten Getränken durchwühle, füllt aus heiterem Himmel eine überschnappende Stimme den Raum:
    »Wem gehört dieser Hund da draußen am Fahrrad?«
    »Das ist meiner.«
    »Sie wissen, dass sich Hunde totlaufen können?«
    »Nein, das ist mir neu.«
    »Doch. Gucken Sie mal, wie der schwitzt.«
    Das ist der Moment, wo ich zu schäumen beginne. Natürlich hätte ich auch sagen können: »Gnä’ Frau, Hunde schwitzen nicht übers Fell, das ist Bachwasser.« Stattdessen bricht es nach sechs Wochen tapferen Schweigens vulkanartig aus mir heraus. Eine Flut unaussprechlicher Dinge, die ich eigentlich gar nicht von mir geben dürfte, weil ich drei Kinder habe und Vorbild sein muss. Die Ortschaft ist so klein. Es spricht sich ganz schnell herum, wenn da einer an der Esso-Tankstelle auf und ab hopst und

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