Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrchenjahre

Herrchenjahre

Titel: Herrchenjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frey Dodillet
Vom Netzwerk:
mich gar nichts mehr. In Zeiten von Läufigkeit und vor allem Standhitze ist bei uns Daueralarm. In dieser Phase ist Luna eine einzige Hormonstörung
auf vier Beinen. Der Gedanke an Sex setzt alles außer Kraft, sogar die Funktion der Ohren. Die stehen dann komplett auf Durchzug.
    Unterm Strich hat das viel Gutes. Ich kann mit Lunas Erziehung in aller Ruhe schlampen, weil jede Einflussnahme wider die Natur sowieso nichts nützt, und verfüge damit über ausgezeichnete Ausreden, warum heute aber auch gar nichts klappt.
    Überdies brauche ich mir wegen dramatischer Hundebegegnungen keine Sorgen zu machen. Ich drehe sowieso nur einsame Mitternachtsrunden und begegne so gut wie niemandem. Dabei kann ich mich vollständig entspannen, weil ich in der Dunkelheit trotz Brille kaum etwas sehe. Nervös die Gegend zu scannen, um potenzielle Gefahren ausfindig zu machen, ist also unmöglich. Ich kann mich anspruchsvolleren Tätigkeiten widmen, zum Beispiel über das Wesen der Vergänglichkeit philosophieren und grübeln, warum selbst teure Trekkingschuhe nach nur einem Jahr kaputt sind. Gerade habe ich wieder ein Paar in die Tonne gehauen.
    Wander- und Trekkingschuhe sind so gebaut, dass sie rund fünf Jahre halten. Danach platzen Nähte, bröseln Sohlen, lösen sich Ösen, bekommen Mikrofasern Risse. Die Reihenfolge ist willkürlich, es kann auch genau andersherum sein. Länger halten diese Komponenten jedenfalls nicht. Das gehört zur Produktstrategie. Was zu lange lebt, wird nicht oft genug gekauft. Der Marketingstratege nennt diese bewusst eingebauten Schwachstellen geplante Obsoleszenz.
    Aber Obacht! Diese fünf Jahre erreicht man in der Regel nur, wenn die Schuhe dreihundertfünfundfünfzig Tage gut gepflegt im Schrank stehen und einmalig im Herbst zur zehntägigen Wandertour hervorgeholt werden. Sollte man der Wahnvorstellung erliegen, jeden Tag fünf Kilometer mit
dem Hund laufen zu wollen, verkürzt sich die Lebenszeit der Schuhe auf elf Monate. Wenn überhaupt. Seit ich mit Luna unterwegs bin, habe ich pro Jahr ein Paar Schuhe zu Schrott gelaufen. Dabei handelte es sich nicht um selbst geflochtene Bastsandaletten, sondern um durchaus stabile Treter aus den Globetrotterabteilungen einschlägiger Sportgeschäfte. Sie waren allesamt aus intelligenter, atmungsaktiver Neumodischfaser gefertigt und nicht billig. Nie wieder!
    Seit neuestem vertrauen wir auf die Kunst einer Schuhmacherdynastie, die seit 1921 Wanderschuhe fertigt. Wir schreiten jetzt in zwiefach genähten Stiefeln aus Himalaya-Yakleder einher, mit chromfreiem Lederfutter und patentierten Vibram-Sohlen, die den Träger quasi von selbst nach vorn katapultieren und den Hund hinterher. Die Schuhe sind nicht nennenswert teurer als meine Mülleimerware, sehen aber aus und fühlen sich an wie für zehn Hundeleben gebaut. Einziger Nachteil: Ich schnüre jetzt etwas länger, und Luna kriegt deswegen ihren ersten Anfall bereits zu Hause.
    Solch ein indiskutables Benehmen perlt natürlich vollständig an mir ab.
    Ich bin aus Yakleder!

    Mit diesen feinen Schuhen durch bunte Laubhaufen am Wegrand zu schlendern und mit jedem Schritt Blätter aufzuwirbeln, gehört auch im gesetzten Alter zu den Freuden des Herbstes. Es sei denn, einer hat da frisch reingekackt.
    Sollte man dem Hund deswegen den Hals umdrehen? Oder seinem Besitzer?
    Ich meine, ja!

    Man muss einige Kinder großgezogen haben, um in dieser Beziehung zu einer echten Kampfsau zu werden. Relativ instabil, aber vor Vergnügen krähend trotteten meine Kleinen damals neben mir her. Irgendwann waren die Beinchen nicht mehr so schnell wie das, was oben drüber war. Dann kippte das ganze Kind vornüber und landete mit ausgestreckten Händen im Hundehaufen. Der Vater, der fluchend die Scheiße vom Nachwuchs kratzte, durfte froh und dankbar sein, wenn nicht auch noch die Nase eingestippt worden war.
    Noch erbaulicher war die Nummer mit dem Tretroller.
    Linker Fuß auf das Trittbrett, rechter Fuß stößt ab. Nach hundert Metern mit dem Tretfuß unbemerkt in einen Hundehaufen stiefeln, anschließend Tretfuß mit Standfuß vertauschen, die Kacke aufs Trittbrett drücken und mächtig ausschreitend weiterrollern. Am Ende verseucht die braune Sauce wahlweise den Kofferraum oder den Kinderwagen, je nachdem, wie der Roller nach Hause transportiert wurde.
    Das ist lange her. Mittlerweile sind die lieben Kleinen groß und fahren hauptsächlich Bus und Bahn. Da ist es weitgehend kotfrei. Der Einzige, der noch vergnügt durchs Laub

Weitere Kostenlose Bücher