Herren des Wetens
süd-
westwärts. Sie ließen die cherekische Küste hinter sich und flogen über das Meer der Stürme. Eine Weile unterstützte sie ein sanfter Rückenwind, doch gegen Mittag hörte er auf und sie mußten sich jede Meile erkämpfen. Garions Schultern schmerzten, und die un-gewohnte Anstrengung des Fliegens schien Feuer an seine Brust-muskeln zu legen. Grimmig flog er weiter. Tief unter sich konnte er meilenlange Wogen sehen, doch aus seiner Höhe wirkte das Ganze nur wie gekräuseltes Wasser.
Die Sonne stand tief über dem westlichen Horizont, als die Fel-senküste der Insel der Stürme in Sicht kam. Sie flogen südwärts entlang der Ostküste und schließlich in Spiralen hinunter zu den sich ihnen entgegenreckenden Türmen und Zinnen der Zitadelle, die sich grau und grimmig über der Stadt Riva erhob.
Ein Posten, der auf dem höchsten Wehrgang müßig auf seinen Speer gestützt stand, zuckte zusammen, als vier gesprenkelte Falken herabstießen, um neben ihm zu landen. Und seine Augen drohten ihm aus dem Gesicht zu quellen, denn sie begannen zu schimmern und menschliche Gestalt anzunehmen. »Eu-eure Majestät«, stammelte er, während er versuchte sich zu verbeugen und gleichzeitig seinen Speer festzuhalten.
»Was ist hier passiert?« fragte ihn Garion scharf.
»Jemand hat Euren Sohn entführt, Sire«, erwiderte der Posten.
»Wir haben sofort die ganze Insel abgeriegelt, ihn jedoch noch nicht gefunden.«
»Gehen wir hinunter«, sagte Garion zu den anderen. »Ich möchte mit Ce'Nedra sprechen.«
Doch das erwies sich fast als unmöglich. Kaum betrat er das kö-
nigliche Gemach, warf sie sich in seine Arme und brach mit hysteri-schem Weinen zusammen. Er spürte, wie ihr zierlicher Körper heftig geschüttelt wurde, und ihre Finger bohrten sich in seine Arme, als sie sich an ihn klammerte. »Ce'Nedra«, flehte er sie an, »hör damit auf! Du mußt uns erzählen, was geschehen ist!«
»Er ist fort, Garion«, wimmerte sie. »J-jemand kam in seine K-kammer und h-hat ihn mitgenommen.« Wieder fing sie zu weinen an.
Ariana, Lelldorins blonde mimbratische Gemahlin, stand in ihrer Nähe, und die dunkelhaarige Adara am Fenster, Beider Mienen waren besorgt.
»Übernimm du, Polgara«, sagte Belgarath ruhig. »Versuche sie zu beruhigen. Ich muß mit ihr reden – aber erst später. Im Augenblick sollten wir anderen erst mal mit Kail sprechen.«
Polgara hatte ihren Umhang abgenommen, sie legte ihn säuberlich zusammen und hängte ihn über eine Sessellehne. »Ist gut, Vater.« Sanft löste sie die schluchzende, kleine Königin aus Garions Armen. »Schon gut, Ce'Nedra«, versuchte sie sie zu beruhigen. »Wir sind jetzt da und kümmern uns um alles.«
Ce'Nedra klammerte sich nun an sie. »O Lady Polgara!«
»Habt Ihr ihr etwas gegeben?« wandte Tante Pol sich an Ariana.
»Nein, Lady Polgara«, antwortete die junge blonde Frau. »Ich be-fürchtete, daß die üblicherweise beruhigenden Mittel ihr in ihrer Verfassung nur schaden würden.«
»Laßt mich sehen, was Ihr in Eurem Medizinkästchen habt.«
»Sofort, Lady Polgara.«
»Kommt mit«, wandte sich Belgarath an Garion und Durnik. Seine Augen schimmerten wie Stahl. »Gehen wir zu Kail, vielleicht kann er Licht in die Sache bringen.«
Sie fanden Kail müde an einem Tisch im ehemaligen Arbeitsgemach seines Vaters sitzen. Er hatte eine große Karte der Insel vor sich ausgebreitet und studierte sie angestrengt.
»Es passierte irgendwann sehr früh gestern morgen, Belgarion«, sagte er ernst, nach einer knappen Begrüßung. »Vor Tagesanbruch.
Königin Ce'Nedra schaute ein paar Stunden nach Mitternacht nach dem Prinzen, da schlief er noch friedlich in seinem Bettchen. Zwei Stunden später war er verschwunden.«
»Was habt Ihr bisher getan?« fragte ihn Belgarath.
»Ich befahl, die gesamte Insel abzuriegeln«, antwortete Kail.
»Dann durchkämmten wir die Zitadelle von einem Ende zum andern. Wer immer den Prinzen entführte, er war nirgendwo in der Festung zu finden. Doch seit ich den Befehl erteilte, ist kein Schiff angekommen, und es hat keines den Hafen verlassen. Und der Ha-fenmeister versicherte mir, daß auch keines nach Mitternacht gestern in See stach. Soviel ich sagen kann, muß der Entführer noch auf der Insel der Stürme sein.«
»Gut.« Plötzliche Hoffnung regte sich in Garion.
»Im Augenblick durchsuchen Truppen Haus um Haus, und Schif-fe patrouillieren die Küste dicht an dicht. Die Insel ist wirklich völlig abgeriegelt.«
»Habt Ihr die Wälder
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