Herren des Wetens
Belgarion«, sagte nun Joran. »Wir dachten, daß er sich, entgegen aller Mutmaßungen, vielleicht doch noch auf der Insel der Stürme befindet. Da begannen wir die Suche aufs neue. Auf diese Weise stießen wir auf den Hirten.«
»Hirten?«
»Er hütete seine Herde ganz allein auf den Almen im Westen der Insel«, erklärte Kail. »Er wußte nicht, was sich auf der Zitadelle und in der Stadt getan hatte. Jedenfalls fragten wir ihn, ob ihm zu der Zeit der Entführung irgend etwas Ungewöhnliches aufgefallen sei.
Er sagte, er habe ein Schiff in eine Bucht an der Westküste segeln und jemanden an Bord gehen sehen, der etwas trug, das in eine Decke gehüllt war. Dann sei das Schiff wieder in See gestochen und habe die anderen zurückgelassen. Belgarion, es war die Bucht, bei der die Fährte endete, die das Auge uns gezeigt hatte.«
»In welche Richtung fuhr das Schiff?«
»Gen Süden.«
»Da ist noch etwas, Belgarion«, fügte Joran hinzu. »Der Hirte sagte, er könne schwören, daß es ein nyissanisches Schiff gewesen war.«
»Nyissanisch?«
»Ja. Er beschrieb sogar die Schlangenflagge am Mast.«
Garion sprang auf. »Wartet hier«, bat er. Er öffnete die Abtrennung. »Großvater, Tante Pol, könntet ihr bitte einen Augenblick kommen?«
»Was gibt es, Liebes?« fragte Polgara, als sie und der alte Zauberer in Garions behelfsmäßige Schreibstube traten. Silk folgte ihnen neugierig.
»Erzählt es ihnen«, forderte Garion Kail auf.
Mit knappen Worten wiederholte Brands zweiter Sohn, was er Garion eben erst berichtet hatte.
»Salmissra?« Polgara blickte ihren Vater fragend an.
»Nicht unbedingt, Pol. Nyissa ist ein Hort von Intrigen, aber die Königin steckt nicht hinter allen – und ich glaube, schon gar nicht hinter einer, die gegen uns gerichtet ist; nicht nach dem, was du mit ihr getan hast!« Er runzelte die Stirn. »Warum sollte ein Chereker sein eigenes Schiff versenken und die Insel an Bord eines nyissanischen verlassen? Ich sehe keinen Sinn darin!«
»Das ist eine weitere Frage, die wir Ulfgar stellen werden, sobald er in unserer Hand ist«, sagte Silk.
Vor Anbruch des nächsten Tages sammelte sich ein großer Trupp aus Einheiten sämtlicher Armeen und machte sich auf den Marsch durch das Tal südlich der Stadt, auf den steilen Hügel und Rheon zu. Die Männer schleppten Sturmleitern und Rammböcke; dehn die Verteidiger sollten denken, ein Großangriff stünde bevor.
In dem von Garions Truppen besetzten Stadtviertel führte Silk einen anderen Trupp durch das Grau des Morgens über die Dächer, um sich der Bogenschützen des Kultes anzunehmen und der Männer, die mit ihren Kesseln voll bereits siedendem Pech in den Häusern zu beiden Seiten der hastig errichteten Mauer auf Angreifer lauerten.
Garion wartete mit Barak und Mandorallen in einer verschneiten Straße nahe der Grenze des besetzten Viertels. »Das ist es, was ich am meisten hasse«, sagte er angespannt. »Das Warten.«
»Ich muß gestehen, daß ich diese Stille vor einer Schlacht als unangenehm empfinde«, sagte Mandorallen.
»Ich dachte, Arendier seien ganz verrückt auf eine Schlacht«, zog Barak seinen Freund auf.
»Stimmt. Kämpfen ist unser Lieblingszeitvertreib«, gestand der stämmige Ritter, während er einen Gurt unter seiner Rüstung überprüfte. »Doch dieses Warten, ehe wir in Feindberührung kommen, ist aufreibend. Ernste, ja düstere Gedanken gehen einem durch den Kopf und lenken vom eigentlichen Vorhaben ab.«
»Mandorallen«, sagte Barak lachend, »du hast mir gefehlt!«
Wie ein Schatten kam Yarblek die Straße hoch, um sich ihnen anzuschließen. Er hatte seinen Fellumhang abgelegt und trug nun einen schweren Brustpanzer und hielt eine Streitaxt in der Hand. »Alles ist bereit«, meldete er leise. »Wir können anfangen, sobald der kleine Dieb das Zeichen gibt.«
»Seid Ihr sicher, daß Eure Männer diese Mauern niederreißen können?« fragte Barak.
Yarblek nickte. »Die Rheoner hatten keine Zeit, die Steine mit Mörtel zusammenzufügen. Mit unseren Enterhaken können wir die Mauern in wenigen Minuten zerstören.«
»Ihr scheint eine Vorliebe für diese Haken zu haben«, bemerkte Barak.
Yarblek zuckte die Schultern. »Nach meiner Erfahrung ist die beste Weise, hinter eine befestigte Mauer zu kommen, sie niederzurei-
ßen.«
»Wir Arendier ziehen Widder vor«, erklärte Mandorallen.
»Auch sie sind recht wirkungsvoll. Doch das Problem mit einem Rammbock ist, daß man unmittelbar unter der Mauer ist, wenn
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