Herren des Wetens
diese fällt. Ich konnte mich nie für den Gedanken erwärmen, Mauer-steine mit dem Schädel abzufangen.«
Sie warteten.
»Hat jemand Lelldorin gesehen?« erkundigte sich Garion.
»Er begleitete Silk«, antwortete Barak. »Er ist der Meinung, daß er von den Dächern aus mehr treffen kann.«
»Er war schon immer ein Himmelsstürmer.« Mandorallen lächelte. »Doch muß ich zugeben, daß ich niemanden kenne, der treffli-cher mit dem Langbogen umzugehen versteht als er.«
»Ah, da ist es!« Barak deutete auf einen brennenden Pfeil, der in hohem Bogen über die Dächer sirrte. »Das Signal!«
Garion holte tief Atem und straffte die Schultern. »Also gut. Stoß ins Horn, Mandorallen, dann wollen wir!«
Der schmetternde Ton von Mandorallens Horn zerriß die Stille.
Aus jeder Straße und Gasse quollen Garions Truppen zum endgültigen Angriff auf Rheon. Rivaner, Algarier, Nadraker und die stämmigen Männer Sendariens stapften mit den Waffen in den Fäusten durch den knirschenden Schnee zur Grenze des Nordviertels.
Fünf Dutzend von Yarbleks ledergewandeten Söldnern rannten voraus und schwangen die Enterhaken.
Mit Barak an der Seite kletterte Garion über den trügerischen, rut-schenden Schutt der Häuser, die man entlang der Grenze niedergerissen hatte, und stieg über die halbgefrorenen Leichen von Kultleuten, aus denen Pfeilschäfte ragten. Ein paar Rheoner – allerdings nicht viele – hatten sich vor der hastigen Durchsuchung der Häuser an der Grenze vor Silks Leuten in Sicherheit bringen können. Verzweifelt schossen sie nun auf die vorrückenden Feindtruppen. Auf Brendigs lauten Befehl lösten sich einzelne Trupps von Sendariern und drangen in die besetzten Häuser ein, um diese restlichen Verteidiger dort unschädlich zu machen.
Jenseits der Grenze des Stadtviertels herrschte ein unbe-
schreibliches Durcheinander. Garions Armee drang hinter einem Schildwall vor und säuberte die Straßen von verzweifelten Kult-kämpfern. Verwünschungen und Pfeile füllten die Luft, und in mehreren Häusern machte sich bereits der rote Hahn breit.
Wie Yarblek vorhergesagt hatte, gaben die lose aufgeschichteten Mauern der Verteidiger rasch unter dem Zug der Enterhaken nach.
Grimmig drangen Garions Streitkräfte vor, und das Klirren von Schwertern erfüllte die Luft. In dem Durcheinander wurde Garion irgendwie von Barak getrennt und fand sich plötzlich Schulter an Schulter mit Durnik in einer engen Gasse. Der Schmied trug weder Schwert noch Axt, sondern kämpfte mit einer schweren Keule. »Es widerstrebt mir, in Menschen zu schneiden oder zu hacken«, erklär-te er und fällte einen beleibten Gegner mit einem Hieb. »Wenn man jemanden mit der Keule niederschlägt, besteht die Chance, daß er mit dem Leben davonkommt, und es spritzt auch gewöhnlich kein Blut.«
Sie drangen tiefer in die Stadt ein und trieben die entmutigten Bewohner vor sich her. Das laute Kampfgetümmel, das vom Südrand der Stadt zu hören war, verkündete, daß Silk und seine Männer die Südmauer erreicht und das Tor geöffnet hatten, um die ge-ballten Truppen einzulassen, deren Scheinangriff die Kultleute abgelenkt hatte.
Und dann stürmten Garion und Durnik aus der engen Gasse auf den großen schneebedeckten Hauptplatz von Rheon. Hier tobte der Kampf überall, doch auf der Ostseite des Platzes hatte sich eine gro-
ße Menge der Verteidiger dicht an dicht um einen hochrädrigen Karren geschart, auf dem ein schwarzbärtiger Mann in einem Wams aus rostfarbenem Brokat stand.
Ein hagerer Nadraker schwang seinen Speer zurück, zielte und warf ihn auf den Mann auf dem Karren. Der Schwarzbärtige hob eine Hand, machte eine ungewöhnliche Geste, und plötzlich bog der Speer nach rechts ab und klapperte, ohne etwas ausgerichtet zu haben, auf das schneeglatte Kopfsteinpflaster. Garion hörte und spürte ein seltsames Brausen, das nur eines bedeuten konnte.
»Durnik!« rief er. »Der Mann auf dem Karren! Das ist Ulfgar!«
Durnik kniff die Augen zusammen. »Holen wir ihn uns, Garion!«
Garions Zorn auf diesen Fremden, der die Ursache ihres Feldzuges, des ganzen Gemetzels und der Verwüstung war, wuchs ins Unermeßliche, und seine Wut übertrug sich auf das Auge, den Stein seines Schwertknaufes. Es flammte auf, und Eisenfausts leuchtendes Schwert brannte plötzlich in sengendem blauen Feuer.
»Dort! Das ist der Rivanische König!« brüllte der Bärtige auf dem Karren. »Tötet ihn!«
Flüchtig begegneten Garions Augen den seinen. Er las Haß in
Weitere Kostenlose Bücher