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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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treten – es gab natürlich auch unter den Vollzugsbeamten einzelne Kandidaten, die den Richtern ihren faulen Lenz nicht gönnten, insbesondere den Pendlern, die nach Dienstschluss nie schnell genug weg sein konnten und die noch nie eine Meininger Kneipe von innen gesehen hatten. Und deshalb war manch einer an solchen Tagen auch besonders motiviert, damit » die da oben« auch mal was zu tun bekamen.
    Während sich die Angehörigen der Ermittlungsbehörden mit Delinquenten und Psychopathen rumschlagen und danach noch stundenlang Berichte darüber tippen mussten, was bei den Ermittlungen alles schiefgelaufen war, hockte so ein Richter den lieben langen Tag auf seinem Stuhl, blätterte in den Akten – und ab und zu ließ er sich vielleicht dazu herab, jemanden zu verknacken. Jurist müsste man sein!
    Als am Donnerstagmorgen um acht Uhr im Hause Recknagel das Telefon klingelte und der Kriminalrat die überreizte Stimme der Oberstaatsanwältin hörte, da wurde ihm jedenfalls schlagartig klar, dass am heutigen Tag noch mehr Überstunden zusammenkommen würden als an einem gewöhnlichen Feiertag, nicht nur bei der Mordkommission. Dem Recknagel war es im Grunde egal, ob er an Christi Himmelfahrt Dienst schieben musste oder nicht. Bei seinen Herzproblemen konnte er sowieso nicht mehr wie früher, und außerdem hatte er ohnehin noch mit einem mittelschweren Kater zu kämpfen nach dem feuchtfröhlichen Skatabend mit dem Fickel und dessen Komplizen Rainer Kummer.
    Aber mit seiner preußischen, mithin absolut unthüringischen Arbeitsauffassung befand sich der Kriminalrat selbst unter den engsten Kollegen klar in der Minderheit. Christoph und Christian waren junge, draufgängerische Beamte, die gerne Rambo spielten, aber allein nicht einen einzigen Fall lösen würden, ohne bei den Ermittlungen so viele Beweisverwertungsverbote zu sammeln, dass der von ihnen überführte Täter vor Gericht freigesprochen werden müsste. Ihr Privatleben war ihnen heilig, der Dienst war nur ein »Job«. Trotz der laufenden Ermittlungen in einem Mordfall waren sie noch am Mittwochabend extra fürs lange Wochenende in den Kurzurlaub abgerauscht, und Recknagel verspürte nicht die geringste Lust, sie zurückzuholen.
    Der Kriminalrat zählte bestimmt nicht zu den altgedienten Betonköpfen, die den Rechtsstaat innerlich ablehnten, weil er sie mit seinen unzähligen Normen und Vorschriften bei der Ermittlungsarbeit gängelte. Wahr war aber auch, dass im Unterschied zu früher faktisch niemand vorhersagen konnte, ob ein Täter, der nach monatelangen mühsamen Untersuchungen endlich eines bestimmten Vergehens überführt war, nicht wegen irgendwelcher formaler Fehler freigesprochen würde. Aber der Recknagel hatte mit Fleiß und Ausdauer gelernt, die Fehlerquote bei den Ermittlungen gering zu halten. Deshalb mochte er es überhaupt nicht, wenn ihn jemand bei seiner Arbeit bevormundete, wie zum Beispiel eine gewisse Oberstaatsanwältin, deren Körpergröße nur noch von ihrem Ehrgeiz übertroffen wurde.
    »Also, wie weit sind Sie mit den Reihenuntersuchungen?«, fragte die Gundelwein rhetorisch, als der Recknagel nach einem ausgiebigen Frühstück mit seiner Frau – das hatte er sich nicht nehmen lassen – ihr Büro betrat.
    »Wir sind fast durch«, antwortete der Recknagel ruhig. »Von allen geschlechtsreifen männlichen Einwohnern fehlen uns nur noch siebenundneunzig Proben. Steht übrigens alles im Bericht.«
    »Hab ich gelesen«, bürstete ihn die Oberstaatsanwältin ab. »Mal angenommen, der Täter ist nicht so dumm, dass er an der Untersuchung teilnimmt … Dann müssen wir ihn wohl oder übel unter diesen siebenundneunzig Personen suchen, hab’ ich recht?«
    Der Recknagel hob die Schultern. Es gab auch Täter, die sich testen ließen, in der irrwitzigen Hoffnung, davonzukommen. Außerdem stand nicht einmal fest, dass der Täter seinen Wohnsitz in Meiningen hatte.
    »Warten wir die Laborergebnisse ab, dann sind wir schlauer«, meinte der Kriminalrat ruhig.
    »Wir sollten jetzt schon schlauer sein!«, schnitt ihm die Oberstaatsanwältin brüsk das Wort ab. »Im Moment wiegt sich der Täter in Sicherheit. Das ist für uns der beste Moment, um ihn zu überraschen.«
    Der Recknagel blickte die Oberstaatsanwältin überrascht an. »Wir haben insgesamt drei DNA -Spuren am Tatort gefunden, die nicht vom Opfer stammen! Zwei an der Robe und …«
    »Den Kaugummi lassen wir mal außen vor, mich interessiert nur das Sperma!«
    Der Kriminalrat wagte nicht zu

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