Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
Vom Netzwerk:
ehrgeizige Menschen wollte sie merkwürdigerweise nicht gern als besonders ehrgeizig gelten. Der Landrat ging jedoch nicht weiter auf ihren Dienstgrad ein, sondern kam übergangslos auf ein weiteres Anliegen zu sprechen. »Es wäre sehr wichtig für mich, dass die Ermittlungen möglichst zügig abgeschlossen werden.«
    Die Gundelwein wusste noch nicht, worauf der andere hinauswollte, und antwortete ausweichend, der Fall genieße selbstverständlich oberste Priorität.
    »In acht Monaten sind Wahlen. Ich stehe auf der Liste für höhere Aufgaben …«, erklärte der Landrat und lächelte gewinnend. »Vielleicht bringe ich es ja mal zum Justizminister!«
    Die Oberstaatsanwältin wunderte sich, wie offen der Landrat über seine Ambitionen sprach – ganz klar eine Schwäche. Sie lächelte bissig. »Ich dachte, Sie wollten in keine große Partei eintreten, weil da die Bürohengste den Ton angeben? Waren das nicht Ihre Worte?«
    »Es gibt Momente im Leben, da muss man sich entscheiden.« Er beugte sich vertraulich vor. »Wollen Sie etwa für immer Staats… Entschuldigung, Ober staatsanwältin bleiben?«
    Die Gundelwein schwieg verblüfft.
    »Ich bin eigentlich zufrieden«, presste sie schließlich heraus.
    »Eigentlich?«
    Der Landrat hatte es trotz aller Vorsicht geschafft, die Oberstaatsanwältin zu verunsichern. Flugs wechselte sie das Thema. »Wie war das bei Ihrer Frau? Sie hätte doch überall Karriere machen können – mit ihren Examina. Und dann landet sie ausgerechnet hier in Meiningen?«
    »Sie wollen suggerieren, sie hat wegen ihrer Liebe zu mir Abstriche bei ihrer Karriere gemacht?«
    Die Gundelwein hatte wieder Oberwasser. Sie hielt es weder für angebracht, noch entsprach es ihrer Überzeugung, die Frage zu verneinen.
    »Wir hatten eine gute Ehe«, beteuerte Kminikowski nun. »Vielleicht ist es ja wirklich so, dass Frauen das Privatleben wichtiger ist als der Beruf.« Der Landrat lächelte mit entwaffnender Offenheit.
    »Einigen vielleicht. Nicht allen«, konterte die Oberstaatsanwältin schnell, fast wie aus der Pistole geschossen. Zu ihrem größten Bedauern klang ihre Stimme etwas spitz, denn sie fühlte sich von der Selbstgefälligkeit des Landrats immer stärker provoziert. Sie fand es zumindest befremdlich, dass eine junge, talentierte Juristin wie die Kminikowski mit ihren Empfehlungen nicht bei McKinsey, einer internationalen Topkanzlei oder, wenn schon in der Justiz, nicht mindestens am Oberlandesgericht tätig gewesen war. Die Oberstaatsanwältin selbst konnte von Glück sagen, dass sie es mit ihren achteinhalb Punkten im zweiten Examen überhaupt noch in den Justizdienst geschafft hatte, egal in welcher Position. Wenn sie solche Examina wie die Kminikowski gehabt hätte, hätte sie sich jedenfalls nicht von so einem Provinzcasanova einwickeln und für seine persönlichen Ziele missbrauchen lassen. Ganz gewiss nicht!
    »Haben Sie vielleicht eine Idee, wer Ihrer Frau das angetan haben könnte?«, fragte die Gundelwein jetzt.
    Der Landrat hob die Achseln. »Irgend so ein perverser Sittenstrolch, wer sonst?«
    Die Gundelwein ließ eine kleine Pause, bevor sie unschuldig erklärte: »Derartige Verbrechen geschehen meistens im sozialen Kontext.«
    Der Landrat sah jetzt ehrlich erstaunt aus. »Sie meinen, der Täter hatte es speziell auf meine Frau abgesehen?«
    Die Gundelwein nickte. »Statistisch gesehen sind die Fälle, bei denen der Täter aus dem Gebüsch springt und sich wahllos ein Opfer greift, äußerst selten.«
    Der Landrat schien jetzt intensiv nachzudenken. »Sylvia hatte hier nicht viele männlich Freunde. Nur die, die sie durch mich kannte, und für die lege ich meine Hand ins Feuer. Was ihre Kollegen angeht, die kennen Sie sicher besser als ich.«
    Der Landrat wollte sich erheben. Aber da fiel der Oberstaatsanwältin noch etwas ein, und sie rief ihn zurück. Der Landrat blickte sie abwartend an. Er zeigte sein Pokerface. So jemanden will man nicht zum Feind haben, dachte die Gundelwein. »Warum haben Sie eigentlich keine Kinder?«, fragte sie dennoch unbeeindruckt.
    »Keine Ahnung, warum haben Sie keine?«, konterte Kminikowski.
    Die Oberstaatsanwältin blieb gelassen, zumindest äußerlich. Der Landrat fuhr mit ruhiger Stimme fort: »Es hat sich bei unserer Arbeitsbelastung einfach nicht ergeben. Außerdem waren wir auch ohne glücklich.«
    Die Gundelwein wartete einen Moment lang und horchte dem Satz hinterher, der so falsch klingen konnte, aus dem Mund Kminikowskis aber glaubhaft

Weitere Kostenlose Bücher